Lobby Umweltorganisationen scheinen in Hamburg besonders gut zu gedeihen: die deutsche Greenpeace-Zentrale war schon immer da, der WWF ist vor zehn Jahren mit seinem Meeresschutzzentrum aus Bremen hergezogen. Nun hat Robin Wood seine Zentrale ebenfalls von Bremen nach Hamburg verlegt ▶Schwerpunkt SEITE 43–45: Der Aktivisten-Standort
von Gernot Knödler
Zu den kleinen Geheimnissen des Hamburger Hafens gehört das Lager von Greenpeace am Reiherstieg. In den Schuppen und auf dem großen Hof ist Platz, um AktivistInnen auszubilden, riesige Plakate zu malen und die Ausrüstung zu pflegen. Gleich um die Ecke gibt es große Getreidesilos, die Greenpeace-Aktivisten auch schon mal blockiert haben, als ein großes Seeschiff mit gentechnisch veränderter Fracht hier löschen wollte. Vom Greenpeace-Anleger sind es mit dem Motorschlauchboot nur wenige Minuten Fahrt. Spektakuläre Bilder waren garantiert.
Greenpeace ist mit seinen Aktionen auf See populär geworden, da scheint ein solcher Standort wie auch der der ehemaligen Zentrale am Fischmarkt naheliegend. Vor drei Jahren ist die Organisation innerhalb Hamburgs umgezogen. Von einem Umzug nach Berlin sei nie die Rede gewesen, sagt Pressesprecher Michael Hopf.
Hamburg scheint ein guter Standort zu sein für Umweltorganisationen. Vor einem Monat hat Robin Wood seine Zentrale von Bremen an die Elbe verlegt. Vor zehn Jahren kam der Worldwide Fund for Nature (WWF) mit seinem Meeresschutzzentrum von Bremen nach Hamburg, kurze Zeit später etablierte sich hier der World Future Council (WFC), der wegweisende Lösungen für die Probleme der Welt sucht. „Rettet den Regenwald“ war schon immer hier – und die schlagkräftigen Landesverbände des Naturschutzbundes (Nabu) und des BUND sowieso.
Hamburg als größte westdeutsche Stadt, mit einer aktiven Umweltszene und nicht eingeschlossen wie einstmals West-Berlin, profitiert heute noch von der Gründungswelle der Umweltorganisationen in den 1980er-Jahren. „Wir fühlen uns hier schon immer wohl“, sagt Ute Bertrand, die Sprecherin von Robin Wood. Die Umweltorganisation mit 15 hauptamtlichen MitarbeiterInnen und 10.000 Förderern ist 1982 im Zusammenhang mit der Debatte über das Waldsterben gegründet worden. Sie nannten sich die „Rächer der Entlaubten“.
Ein Standort von Robin Wood war, wegen der Aktiven und Themen vor Ort, damals schon Hamburg. Um die Kräfte zu bündeln, sind mit dem Umzug der Zentrale auch die Pressesprecherin und mehrere Referenten, die bisher in Altona waren, an den neuen Standort Harburg gezogen – unter ein Dach mit den Leuten von der Verwaltung und der Mitgliederbetreuung aus Bremen. Von Harburg aus ist es nach Bremen quasi einen Katzensprung.
„Andere zieht es nach Berlin“, sagt Bertrand, „aber mit dem Lobbyismus haben wir es nicht so stark.“ Robin Wood verstehe sich als Aktionsgemeinschaft, die ihren Mitgliedern bei ihren Problemen helfe. Als kleine Organisation müsse sich Robin Wood auf seine Stärken konzentrieren und die lägen eher darin, die Aktivisten vor Ort zu unterstützen, Probleme aufzudecken und Konflikte zuzuspitzen, statt als ein weiterer Verband an einem Verhandlungstisch zu sitzen.
Auch die deutsche Sektion der Organisation Greenpeace, die 60-mal soviel Geld ausgibt wie Robin Wood, ist in Hamburg gegründet worden, weil es hier „eine sehr dynamische Gruppe“ gegeben habe, wie Presseprecher Hopf sagt. In den Anfangsjahren hätten sie eng mit den Fischern zusammengearbeitet, die den Aufstand probten, weil sie immer mehr Tiere mit Abszessen am Leib aus der Elbe zogen.
Um die Greenpeace-Zentrale habe sich als erste die Gruppe Bielefeld beworben, erzählt Hopf. Hamburg sei ein weiteres Kraftzentrum der Organisation gewesen und letztlich der Ort, wo am meisten los war. „Es war nie die Wahl zwischen Bonn und Hamburg sondern zwischen Bielefeld und Hamburg“, sagt Hopf.
Für Hamburg habe gesprochen, dass der Ort bei Greenpeace International bekannt gewesen sei, weil das Aktionsschiff „Rainbow Warrior“ hier angelegt hatte. Auch die Nähe zum Meer, die Größe der Stadt und die vielen Medien fielen ins Gewicht. Und warum ging der jüngste Umzug in nur die Hafencity und nicht gleich nach Berlin? – „Politik und Institutionen sind wichtig, aber deswegen muss man nicht gleich die räumliche Nähe suchen“, sagt Hopf. Greenpeace unterhält aber ein Büro mit sechs Mitarbeitern in der Hauptstadt.
Der WWF Deutschland, der größenmäßig in der Liga von Greenpeace spielt, hat nur sein Meeresschutzzentrum in Hamburg, die Zentrale liegt in Berlin. Die Meeresschutzarbeit der Organisation sei immer schon in Norddeutschland angesiedelt gewesen, sagt Pressesprecherin Britta König. Grund dafür sei die Nähe zu wichtigen Akteuren wie Fischern, Fischereiverbänden und Fischverarbeitern.
An einem großen Medienstandort wie Hamburg lasse sich die Botschaft des Verbandes leichter an den Mann bringen. Mit dem Umzug von Bremen nach Hamburg habe sich zudem die Möglichkeit ergeben, internationale Kollegen nach Deutschland zu holen. Dabei sei auch die Verkehrsanbindung ein Faktor gewesen.
Den Weltzukunftsrat (WFC) hat der Senat mit Geld geködert. Der WFC ist mehr ist als „nur“ ein Umweltverband, weil er sich auch um ökonomische und soziale Nachhaltigkeit bemüht. Sein Gründer, Jakob von Uexküll, ist in Hamburg aufgewachsen, lebt aber in London. Er hat den sogenannten alternativen Nobelpreis gestiftet, den Right Livelyhood Award.
Der WFC bringt die Schwergewichte der internationalen Nachhaltigkeitsszene zusammen, um weltweit die besten Lösungen für die großen Probleme der Menschheit ausfindig zu machen. Jedes Jahr vergibt er einen Preis für das beste Gesetz zu einem Politikbereich – zuletzt für Kinderrechte und für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Hamburg habe sich „sehr großzügig gezeigt“, als es darum ging, einen Sitz für den WFC zu finden, sagt die Pressesprecherin Alexandra Schiffmann. Der Senat unter Vorsitz des damaligen Bürgermeisters Ole von Beust machte 2,5 Millionen Euro für die Anschubfinanzierung locker, der Unternehmer Michael Otto weitere 1,5 Millionen.
Nicht wegzudenken aus der Hansestadt, weil eng mit der Person des Gründers verknüpft, ist schließlich „Rettet den Regenwald“. Vor 30 Jahren hat der Soziologe Reinhard Behrend den Verein gegründet, der heute ein Dutzend hauptamtlicher Mitarbeiter hat und den kostenlosen „Regenwald Report“ mit einer Auflage von 200.000 bis 300.000 Stück vertreibt.
Der Verein residiert in Behrends Privathaus im Norden der Stadt. Der Standort ist dabei zunehmend unwichtig. „Wir machen immer mehr international“, sagt Behrend. „Mit dem Internet sind wir nicht mehr begrenzt.“
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