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Die Maximalwirkung des Großen

Kunst Die 50. Art Cologne gibt sich solide, bisweilen bieder, aber mit strahlenden Momenten

Riesenkürbis von Yayoi Kusama Foto: Federico Gambarini/dpa

Die Dramaturgie der Messe bediente sich für das Entree auch in diesem Jahr der Maximalwirkung der Großen – Zwirner mit einem Riesenkürbis von Yayoi Kusama, Ropac mit monumentaler Baselitz-Leinwand, Hauser & Wirth mit riesigen, frohgemuten Wall Paintings, speziell von Richard Jackson für den Kölner Auftritt produziert.

Das Konzept, die drei Stockwerke schubladenmäßig zu nutzen (Klassische Moderne und Kunst nach 45, etablierte Zeitgenossen, absolute Zeitgenossen), kam schon im letzten Jahr gut an, führte freilich auch wieder dazu, dass viele auf den Weg ins oberste Stockwerk zu den unter Anstrengungsverdacht stehenden Jungen verzichteten.

Das gut sortierte, ungefähr zweihundert Galerien umfassende Teilnehmerfeld war – wer könnte es ihnen verdenken – sichtlich auf Renommee und Umsatz gepolt. Der unbedingten Bereitschaft, Besucher, Sammler und Käufer zu elektrisieren, steht manchmal aber doch die bereitwillige Interpretation von vermeintlichen Trends im Weg. Zero wurde demnach immer noch gepflegt, jetzt jedoch allzu häufig in rahmensprengenden Preisgefilden – ein weniger wuchtig-dynamisches denn elegant fließendes, großes Nagelfeld von Günther Uecker aus dem Jahr 1990 hatte Maulberger (München) für 2,2 Millionen Euro im Gepäck.

Quasi als Reaktion auf den ehrenwerten Treuebonus präsentierte Raimund Thomas (seit Anbeginn ist er Aussteller der Art Cologne und in diesem Jahr Träger des Art-Cologne-Preises) seine Arbeiten der Klassischen Moderne zusammen mit „L’homme au parapluie“ von Marc Chagall für 1,25 Millionen Dollar in überraschend intimer und unprätentiöser Kabinettstimmung. Remmert & Barth (Düsseldorf) setzten wie Valentien (Stuttgart) auf die einst radikal verstörende Wirkung der Veristen Otto Dix und George Grosz (Arbeiten auf Papier 80.000 bis 450.000 Euro).

Fred und Matthias Jahn waren schon zur Eröffnung mit den großformatigen spannungsgeladenen, dicht und farbstark komponierten Gouachen von Hedwig Eberle erfolgreich. Die 1977 geborene Münchnerin ist auf bestem Weg, sich international zu positionieren. Vielversprechendes Potenzial bei einem völlig konträren künstlerischen Ansatz hat auch der in Mexiko-Stadt lebende Engländer Tom Chamberlain, der mit seinen in mönchischer Manier erarbeiteten, überaus delikaten, minimalistischen Aquarellen von Kraft und Wahrnehmung erzählt (Scheibler, Berlin).

Der Berliner David Polzin hingegen erfindet seriell „Möbel und Objekte aus der postimperialen Phase Deutschlands“, indem er west- und ostdeutsche Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände übereinanderstülpt, ineinander verhakt, miteinander vermählt. Ergebnis ist eine von Implantaten und Modifikationen versehrte, dennoch irgendwie noch brauchbare, ästhetisch irritierende Monstrosität (Waldburger Wouters, Brüssel, 2.500 bis 6.800 Euro).

Bei Konrad Fischer (Düsseldorf/Berlin) gaben ­Arbeiten der Irin Aleana Egan Rätsel auf, die man bereitwillig lösen wollte. Ihre Installationen und Objekte aus lackiertem Karton, pigmentverhülltem Kupferrohr, Gips und anderem rohem Material geben dem Betrachter durch oft sparsame, stets mit größter Präzision durchgeführte Eingriffe starke Impulse für ein feinsinniges Grundrauschen.

Egal, ob man sich dafür entscheidet, dass „A social edge“ (eine farblich elegant abgestimmte, ideal arrangierte Komposition aus drei Abwasserrohren, einer Leiter, abgesägten Metallliegen) in einem Schwimmbad zu verorten ist oder in einer Klempnerwerkstatt: Behände wird man fortgetragen und landet vielleicht bei den Dämonen der Liebe, bei Romy Schneider und Alain ­Delon. Annegret Erhard

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