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Corinna Petersen-Ewert über Pflege von Migranten„Haupthemmnis ist die Sprache“

Die HAW berichtet auf einer Tagung über ein Projekt zur professionellen und häuslichen „kultursensiblen“ Pflege von Senioren mit Migrationshintergrund.

Kultursensible Arbeit: Pflege älterer Migranten. Foto: Angelika Warmuth/dpa

taz: Frau Petersen-Ewert, welche kulturspezifischen Besonderheiten gibt es bei der Pflege älterer Migranten?

Corinna Petersen-Ewert: Das ist pauschal schwer zu sagen. Wir geben keine Handlungsanweisungen à la „Ziehen Sie beim Betreten der Wohnung die Schuhe aus“. Das wäre verkürzt gedacht. Andererseits haben wir natürlich genau diese Klischees im Kopf und darüber kann Reflexion beginnen.

Zum Beispiel in den Seminaren Ihres Projekts „Kurve“. An wen richteten sich die?

Wir haben während des dreijährigen, vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts zwei Schulungen entwickelt: eine für professionell Pflegende und eine weitere an pflegende Angehörige.

Was bezweckten sie?

Die professionellen Pfleger wollten wir für kulturspezifische Bedürfnisse sensibilisieren. Denn es gibt zwar von Migranten geführte, etwa auf türkische oder arabische Senioren spezialisierte Pflegedienste, aber auch die anderen Dienste haben teilweise Klienten mit Migrationshintergrund.

Haben auch Pfleger mit Migrationshintergrund Ihren Workshop besucht?

Nein, und die Annahme, dass ähnliche Herkunft zwingend Kultursensibilität bedeute, greift zu kurz. Über die Qualität der Pflege entscheidet vielmehr das Berufsethos. Sowie ganz allgemein die Fähigkeit, Bedürfnisse zu erkennen. Für einheimische Pflegedienste ist das Haupthemmnis bei der Pflege älterer Migranten allerdings die Sprache.

Aber viele Pflegebedürftige leben in der zweiten Generation hier und sprechen fließend deutsch.

Ja, aber mit dem Alter tritt – gerade bei demenziellen Veränderungen – die Vergangenheit und damit die Ursprungssprache in den Vordergrund. Das macht es für Pflegedienste manchmal schwer.

Ihre zweite Schulung galt pflegenden Angehörigen. Wie lief die ab?

Zunächst war es enorm schwer, diese Menschen überhaupt zu erreichen. Denn diese Gruppe gibt es ja offiziell nicht als Lobby“.

Wie haben Sie das gelöst?

Wir haben unser Vorgehen geändert und sind zu Treffen gegangen, die ohnehin stattfinden, etwa zum interkulturellen Seniorentreff „Mekan“. Aber da komme ich natürlich nicht mit einem Powerpoint-Vortrag weiter, sondern muss beim Teetrinken und Kuchenessen langsam Vertrauen aufbauen, um ein so sensibles Thema ansprechen zu dürfen.

In vielen Kulturen lastet die häusliche Pflege auf den Angehörigen, weil es Tradition ist. Fühlen sich diejenigen, die fremde Hilfe in Anspruch nehmen, schuldig?

Wir wissen aus Befragungen, dass Menschen mit Migrationshintergrund eher das Geld in Anspruch nehmen als Sach- und Betreuungsleistungen. Man kann sagen: aus Scham. Man muss aber auch fragen: Wie ist die soziale Lage der Betroffenen? Einige brauchen schlicht das Geld.

Dafür lastet die Pflege auf den Frauen. Aber rebellieren sie nicht allmählich?

Es gibt schon einen Wandel. Aber dann stellt sich die Frage: Wie kommuniziere ich das nach außen? Da kommen alte und neue Wertvorstellungen zusammen. Zum Beispiel: Wer darf für eine Familie sprechen und in einem Interview Auskunft geben?

Ist das oft der – nicht pflegende – Mann?

Ja.

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