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„Einfach gar nicht präsent sein“

Die drei Fragezeichen

Foto: Götz Schleser

Die Kommunikationsagentur Network Media GmbH hat die SPD durch den Wahlkampf in Baden-Württemberg begleitet. Nach der Niederlage will auch sie wissen: Wie kann die Partei Wähler von sich überzeugen? Geschäftsführerin Nicole Stelzner und Strategieberater Mario Münster haben nun sechs Strategien vorgelegt.

1taz. am wochenende: Frau Stelzner, Sie raten der SPD dazu, WählerInnen in Zukunft zu demobilisieren? Wie ist das denn gemeint?

Nicole Stelzner: In Baden-Württemberg haben 360.000 Wähler mehr als bei der vergangenen Wahl gewählt. Davon gingen 209.000 Stimmen an die AfD. Ähnlich war das in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Zwei Drittel der vorherigen Nichtwähler sind nur wegen der AfD zur Wahl gegangen. In der Vergangenheit hat sich eine hohe Wahlbeteiligung für die SPD ausgezahlt. Das ist jetzt, laut unserer Analyse, zum ersten Mal nach hinten losgegangen. Das kann man als Agentur, die Wahlkämpfe führt, nicht ignorieren. Wir müssen nun mit gezielter Forschung herausfinden: Wo sitzen diese Wähler, die, wenn man sie mobilisiert, Protestparteien, wie die AfD wählen.

2Wie sieht eine Demobilisierung von Wählern aus?

Wir wollen natürlich nicht aktiv Leute daran hindern, wählen zu gehen. Aber Parteien haben im Wahlkampf nur gewisse Ressourcen zur Verfügung. Da muss man sich eben überlegen, ob man bestimmte Bezirke oder Viertel rauslässt oder in spe­zielle Regionen keine Ressourcen steckt: kein Geld, keine Hausbesuche, keine Plakate, keine Wahlkampfveranstaltungen. Einfach gar nicht präsent sein. Wir brauchen mehr qualitative Forschung, müssen also Zahlen, Daten, Fakten sammeln und schauen, wie wir Ressourcen in Form einer Summe X besser verteilen können. Parteien neigen dazu, da zu sparen. Ich rate vielmehr, dass man in bestimmten Bezirken einfach alle Maßnahmen weglässt.

3Das klingt nicht nach Volkspartei.

Ich glaube schon, dass die SPD AfD-Wähler wieder ­zurückgewinnen kann. Nicht bei allen ist Hopfen und Malz ­verloren. Aber das wird ­aufwendig. Trotzdem sollte die SPD den Anspruch haben, eine Volkspartei zu sein, und versuchen, diese Wähler wieder zurückzuholen.

Fragen Hannah Weiner

Nicole Stelzner (40) ist Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur NWMD. Sie hat schon Gerhard Schröder im Wahlkampf begleitet.

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