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Die WahrheitMänner und Bauchgefühle

Kolumne
von Frank Schäfer

Intuition haben Männer nur in Lebensbereichen, denen sie Bedeutung beimessen. Beziehungen gehören wohl nicht dazu.

M änner haben kein Bauchgefühl. Wo bei der Frau die weibliche Intuition sitzt, hat der Mann nur einen kalten, nassen Waschlappen. Der liegt da so rum und ist zu nichts zu gebrauchen.

Ein Freund von mir, seit Jahr und Tag liiert mit einer Frau, die klüger war als er und außerdem noch besser aussah, lebte glücklich in den Tag hinein. Jede Frau in einer solchen Situation hätte die Kleidung des Partners gefilzt, sich in den Mail-Account gehackt, die NSA um Mithilfe gebeten oder eine Wahrsagerin aufgesucht – aber nicht dieser arglose Amphitryon.

Vielleicht hörte er in manch schlafloser Stunde vor der Frühschicht fragend in sich hinein: Ist meine Holde mir treu? Vom nassen Waschlappen jedenfalls kam nie etwas zurück. Dann eines Tages kehrte der Mann von der Arbeit heim, er schloss gerade die Tür auf zur hellen Loftwohnung, die sie vor einigen Wochen zusammen bezogen hatten, als das Telefon klingelte.

Er hob ab. Eine undeutliche, offenbar durch ein kariertes Geschirrtuch unkenntlich gemachte Stimme befahl ihm, jetzt sofort Richtung Ortsausgang zu fahren, zum Pendlerparkplatz kurz vor der Autobahnauffahrt. Was da los sei, werde ihn sicher interessieren, da könne er nämlich sehen, wie seine „Alte“ mit einem anderen „rummache“.

„Wer spricht da?“, rief er aufgebracht. „Ein Freund!“ – „Dich Arschloch kenne ich doch! Hallo? Hallooo?“ Aufgelegt.

Nun, meinem Freund fehlte es zwar an Bauchgefühl, aber er war trotzdem neugierig, fuhr zum Parkplatz und erkannte gleich den alten Opel seiner Frau. Sie war nicht allein, das konnte er sogar durch die beschlagene Scheibe sehen. Die Affäre lief schon über ein halbes Jahr, und der Arglose hatte mal wieder als Letzter davon erfahren. Er verwünschte den nassen Waschlappen und trennte sich von seiner Frau.

Auch ich habe offensichtlich kein Bauchgefühl, denn sonst wäre ich wohl kaum ans Telefon gegangen, als der Gehörnte ein paar Tage später bei mir anrief. „Hallo, du Freund!“

Damit will ich dem Mann an sich seine paranormale Qualifikation jedoch nicht gänzlich absprechen. Ihm scheint sein entsprechendes Talent allerdings nur in Lebensbereichen zur Verfügung zu stehen, die ihn wirklich interessieren, denen er Bedeutung beimisst.

So hört man immer wieder vom „Torriecher“, der sich auf dem Fußballplatz, ja sogar vor den Bildschirmen äußern kann. Es gibt ihn wirklich. Wenn mein Vater beim Länderspielgucken sein Kinn hebt, geräuschvoll schnuppert und dann mit wissendem Nicken verkündet: „Das rappelt gleich im Karton!“, dann kann der Keeper sich schon mal warm anziehen und anfangen zu ärgern.

Und schließlich darf man auch die „Kneipennase“ meines Bruders nicht vergessen, also das wahrlich segensreiche, weil auch in völlig fremdem Terrain untrügliche Gespür für die Lokalität, in der es gerade und in den nächsten Stunden die besten Getränke und Gespräche und die netteste und fixeste Bedienung gibt. Ich weiß nicht, was das genau ist, ein Bauchgefühl jedenfalls nicht.

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