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Vermarktung von „Superfood“Je mehr, desto Jungbrunnen

Goji, Açaí, Chlorella – sogenanntes Superfood soll jung, hübsch oder gesund machen. Hier ein paar Tipps, um es erfolgreich zu verkaufen.

So gesund, geradezu unverzichtbar für Ihren Schönheitssmoothie: Kale (huch, das ist ja Grünkohl). Foto: dpa

Denken Sie sich eine Story aus. Eine Geschichte. Das ist das wichtigste. Egal, ob Sie als Hersteller Beeren verkaufen, Wurzeln oder die getrockneten, pulverisierten und in Sternchenform gegossenen Ausscheidungen einer sehr seltenen Tierart: Erzählen Sie eine Geschichte. Idealerweise ist dabei von einem weit von Europa entfernt beheimateten, sehr ursprünglich lebenden Volk die Rede, das durch diese BeerenWurzelAusscheidungssternchen regelmäßig Rekorde auf der Altersskala bricht. Und total glücklich und mit sich im Einklang sein Leben bestreitet.

Setzen Sie auf exotische Namen

Substanzen, die von weit her kommen, sollten keineswegs zu profan klingen. Affenbrotbaum, davon will doch niemand etwas essen, trinken oder sonst wie zu sich nehmen. Wie viel lyrischer klingt da gleich Baobab. Der Begriff hat auch einen arabischen Stamm, da fällt Ihnen doch sicher eine schöne Geschichte zu ein.

Vertrauen Sie Antioxidantien

Wenn es so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner von Superfood gibt, dann sind das Antioxidantien. Die sollen im Körper Freie Radikale fangen, deren Vorkommen unter anderem mit Alterung und verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht wird. Wie schädlich die Freien Radikale wirklich sind, ist umstritten. Aber das müssen Sie gar nicht wissen, wichtig ist nur: Je mehr Antioxidantien, desto Jungbrunnen. Vermitteln Sie das den potenziellen Kunden, dann werden sie zugreifen. Denn günstiger als eine Anti-Falten-Creme ist Ihr Produkt allemal.

Superfood? Was ist denn das?

Der Name: Eine offizielle Definition des Begriffs Superfood gibt es nicht; dementsprechend ist die Bezeichnung auch nicht geschützt. Gemeint ist meist ein Lebensmittel, das viele Vitalstoffe wie Vitamine enthält und daher gesundheitsfördernd wirken soll. Die EU-Lebensmittelverordnung kennt den Begriff „Novel Food“. Einige der als Superfood beworbenen Lebensmittel fallen darunter, etwa Ginkgo und die Alge Chlorella.

Die Entwicklung: Dass der Absatz steigt, zeigen nicht nur der Blick ins Supermarktregal und die Menükarten von Cafés, sondern auch Zahlen aus der Branche: So ist laut dem bioVista Handelspanel für den Bio-Fachhandel etwa der Umsatz mit Goji-Beeren von November 2014 bis Oktober 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 54 Prozent gestiegen. Bei Chiasamen waren es 112 Prozent, bei Produkten mit Baobab 115 Prozent.

Der Inhalt: Da die Substanzen häufig über weite Strecken transportiert werden müssen, landen sie hierzulande meist als Pulver. Bei Tests wurden zudem mitunter hohe Pestizidwerte gemessen – das betraf allerdings vor allem konventionelle Produkte aus China. Ernährungswissenschaftler raten, genau auf Herkunft und Inhaltsstoffe zu achten und die Produkte nicht als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung zu sehen.

Der Effekt: Der gesund­heitliche Nutzen der Substanzen ist umstritten und in Studien meistens nicht abschließend geklärt. Klar ist aber: Es gibt meist preiswertere, regionale Alternativen. So sind etwa Leinsamen güns­tiger als ­Chiasamen. Und: Auch negative Effekte sind nicht ausgeschlossen. Goji-Beeren zum Beispiel können bei der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten zu Wechselwirkungen führen.(sve)

Liefern Sie Rezepte

Was genau macht man mit Weizengras? Tja. Weiß kaum jemand, deshalb müssen Sie das ganz dringend ändern. Klar im Vorteil ist jetzt, wer ein Produkt hat, das sich zu möglichst allem unauffällig dazugeben lässt, ohne für größere geschmackliche oder farbliche Irritationen zu sorgen. Ganz wichtig und unabdingbar aber: Es muss Smoothie-tauglich sein.

Verkaufen Sie Bekanntes als neu

Açaí, Maca, Chia – alles schön und gut, aber es geht auch etwas einfacher. Suchen Sie sich ein Gemüse aus der Umgebung, das so lange out ist, dass es langsam wieder in sein könnte. Zum Beispiel der gute alte Grünkohl. Ohne die Grützwurst hat er schon mal einen guten Teil seines verstaubt-altbackenen Images verloren. Wenn Sie das Ganze dann noch mit dem englischen Begriff (Kale) aufhübschen, rücken Sie schon langsam in Richtung Trend. Smoothie-Tauglichkeit gecheckt? Gut.

Nehmen Sie Studien nicht so ernst

Gesundheitsfördernde Wirkung wurde nur im Tierversuch nachgewiesen? Die Probandengruppe war viel zu klein für eine aussagekräftige Studie? Egal. Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen schließlich auch Light-Produkte, wenn ein Drittel des Fleisches einfach durch Weizen und Wasser ersetzt wurde. Was zählt, ist die überzeugende Botschaft, dass mit Ihren BeerenWurzelAusscheidungssternchen alles viel besser wird. Placeboeffekt. Kennen wir doch alle.

Mixen Sie

Das ist jetzt etwas für Fortgeschrittene – einfach Gojibeeren-Pulver verkaufen kann jeder. Machen Sie aus ihrem Produkt einen Mix. Ein bisschen von der total ursprünglichen, gesunden, Superfoodzutat und ziemlich viel von etwas anderem. Etwas billigerem. Etwas, das zwar die Dichte an supergesunden Vitalstoffen wieder senkt, aber Ihre Marge erhöht. Und das Gefühl des Kunden, sich etwas Gutes zu tun. Schließlich liegt die Obergrenze der zum täglichen Verzehr empfohlenen Menge etwa bei Chia-Samen bei 15 Gramm pro Tag. Sie dagegen können auf Ihr Produkt schreiben: Drei gehäufte Teelöffel. Der Kunde verbraucht dadurch mehr und – tadaa: Kauft wieder schneller. Gut für Sie.

Doppelt hält besser und das gilt nicht nur für Schnürsenkel. Wer in Sachen Lebensmittel auf mehrere Trends setzt, erweitet die Zielgruppe. Also: Superfood + Bio. Oder, für Profis: Superfood + Bio + Regional. Positiver Nebeneffekt: Während bei Superlebensmitteln im konventionellen Bereich immer mal größere Mengen Pestizide gefunden werden, sind Sie, wenn Sie sich für Bio entscheiden, fein raus. Aber nur, wenn wirklich keine Pflanzenschutzmittel drin sind. Sonst ist der Skandal um so größer.

Seien Sie nicht zu bescheiden

Der Preis ist eine sensible Sache. Zu niedrig darf er auf keinen Fall sein, das Produkt soll schließlich nicht billig wirken. Aber auch nicht zu hoch, dann verstaubt es im Laden. Wollen Sie auf der sicheren Seite sein, orientieren Sie sich einfach an der Konkurrenz. Faustregel für alle, die Punkt 7 (Mixen) beherzigt haben: Das Strecken macht ein Produkt nicht wertloser, sondern wertvoller. Schließlich haben Sie mehr Arbeit reingesteckt.

Bringen Sie Geduld mit

Neue Lebensmittel erfolgreich auf dem Markt zu platzieren, das geht nicht von heute auf morgen. Drei bis vier Jahre müssen Sie schon rechnen, bis der Absatz richtig läuft. Dann können Sie sich entspannt zurücklehnen – siehe Cranberry. Die Frucht, die kaum jemand unter dem Namen Moosbeere (Punkt 2!) kennt, wurde um die Jahrtausendwende als Wundermittel gegen Blasenentzündungen gehandelt. Es gab Cranberry-Saft, Cranberry-Fruchtaufstrich, Cranberry-Konzentrat in Kapseln mit Vitamin C, Zink und Selen. Dass die Beere wirklich vor Blasenentzündungen schützt, konnten Studien nicht bestätigen. Egal. Die Produkte verkaufen sich noch heute.

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3 Kommentare

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  • Herrlicher Beitrag.

    Danke für diese lehrreiche Ausführung.

     

    Ich denke darüber nach, das mal mit Springkraut zu probieren (wuchert in den Blumenkästen schneller, als man es ausrupfen kann). Oder mit den ...Produkten meiner Katzen.

    Das hat dann eben die weise alte Medizinfrau eines uralten Indiostammes für ihre Stammesgenossen verwendet, und siehe da, alle wurden gesund und glücklich und blieben es auch. (Vielleicht weil sie es fortan vorzogen, ihre Krankheiten anderweitig behandeln zu lassen - aber das muss man ja so nicht sagen).

  • Was die smoothy-tauglichkeit betrifft, gibt es eine ganz einfache faustregel: alles, aber auch wirklich alles, was sich auch nur halbwegs durch den mixer jagen lässt, ist smoothy-tauglich.

     

    Und merke: je stärker der mixer, desto tauglicher werden sogar alte zaunlatten, dann warum sollen sägespäne dem natürlichen erdbeeraroma im bio-jughurt aus neuseeland vorenthalten bleiben!?

    • @christian hilleprandt:

      Smoothies sind sowieso eine Sache für sich!

      Im Mund werden Amylasen gebildet, zur Vorverdauung von Kohlenhydraten. Beim Kauen von Obst und Gemüse z.B. kommen sie zur Wirkung.

      Beim Trinken dieser gequirlten Ka... wird überhaupt nichts vorverdaut, deswegen stellt sich bei vielen Menschen nach dem "Genuss" dieser Smoothies schnell die Reue in Form von Blähungen ein!

       

      Dr. Bruker soll mal gesagt haben, wenn die Natur gewollt hätte, dass wir Säfte trinken, dann hätten wir einen Mixer im Mund :-)