Legalisierung Bremen und andere Bundesländer wollen Cannabis entkriminalisieren – und die Erfolgschancen stehen nicht mal schlecht. Frontbesichtigung eines Kulturkampfs ▶ Schwerpunkt SEITE 43–45: Volle Dröhnung
Es ist nur noch ein Verteidigungskampf im Rückzugsmodus, den die Verfechter des Cannabis-Verbots führen: Im Januar haben sie einen direktdemokratischen Angriff in Bayern abgewehrt, davor einen kommunalpolitischen in Berlin Friedrichshain. Im Bundestag findet kommenden Mittwoch, einen Tag nach dem Bremer taz Salon zur Haschisch-Politik, erneut eine Anhörung statt, im Gesundheitsausschuss. Es ist bereits die siebte zum Thema seit 2009. Diesmal steht der Entwurf eines Cannabis-Kontrollgesetzes zur Debatte.
Auch auf Länderebene wird die Prohibition nicht mehr so einfach hingenommen, zumal im Norden. Während Rot-Grün in Niedersachsen die Frage eher im Vagen belässt, will die Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein immerhin die Höchstmenge des straffreien Besitzes wieder erhöhen. Den föderalen Weg in die Legalität suchen aktiv derzeit aber die Stadtstaaten, und Bremen mit der größten Vehemenz: Am 26. Februar hatte die Bürgerschaft Experten beider Seiten zum Hearing geladen, stundenlang wurden die Risiken und Nebenwirkungen der Droge, vor allem aber auch die Chancen einer staatlich kontrollierten Freigabe von Experten erläutert.
Die Koalition aus SPD und Grünen wird den Senat auffordern, alle Möglichkeiten für eine liberalere Handhabung von Cannabis-Konsum auf Landesebene auszuschöpfen – wobei es vermutlich anders als in den USA eine Freigabe in einzelnen Bundesländern nicht geben wird. Die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Deshalb wird in dem Antrag der Koalition auch die Forderung stehen, dass Bremen über den Bundesrat darauf hinwirken soll, „dass Schutz und Prävention und nicht eine diesen Zielen zuwiderlaufende Repression“ zur Leitschnur einer künftigen deutschen Drogenpolitik werden. Widerstände sind kaum zu erwarten: Bremens Bürgermeister Carsten Sieling hat sich als erster Regierungschef eines Bundeslandes als Sympathisant der „Legalize it!“-Forderung geoutet.
Dass eine solche Initiative aus Bremen kommt, ist kein Zufall: Da ist einerseits der finanzielle Aspekt. Denn es ist klar, dass die Repression illegaler Deals und ihre strafrechtliche Verfolgung hohe Kosten verursacht, während der Staat an legalem Handel stets mitverdient, vielleicht wäre sogar eine Cannabis-Steuer, die in den amerikanischen Legalisierer-Staaten Washington, Colorado und Oregon sehr einträglich ist, als Länderrecht möglich – weil der Bund eine solche Steuer ja nicht erhebt.
Andererseits gibt es in Bremen einfach eine große Expertise: Das 1986 gegründete Bremer Institut für Drogenforschung (Bisdro) hat an der dortigen Uni, bei den Juristen beheimatet, aber interdisziplinär, eine akademische Tradition begründet, die in institutionell veränderter Form fortlebt, längst auch in anderen Fachbereichen der einzigen norddeutschen Exzellenz-Uni. Im Grunde ist der „Schildower Kreis“ so etwas wie der weltliche Arm dieser wissenschaftlichen Bewegung. Diesem Zusammenschluss war 2013 das Kunststück gelungen, rund die Hälfte der deutschen StrafrechtsprofessorInnen für eine Resolution gegen die Prohibitionspolitik zu gewinnen. Erstaunlich: Zwei Juristen, drei Meinungen, sagt man ja sonst. Hier aber hatten sich 123 Jura-Profs darauf verständigt, dass die Politik, Drogen strafrechtlich zu bekämpfen, „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“ sei – und damit verfassungswidrig. Benno Schirrmeister
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen