: Schafgarbe auf dem Blechdach
Mehr Grün Viele Kommunen fördern das Anlegen begrünter Dächer, nicht nur weil sie bei Starkregen nützlich sind. Für ihre Besitzer spielen ästhetische Überlegungen die größte Rolle
von Eiken Bruhn
Ein Dach, auf dem Pflanzen wachsen: Realisieren lässt sich dies nicht nur auf Flachdächern, sondern auch auf Satteldächern. Jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. „Optimal sind 0 bis 20 Grad Neigung und ab 35 Grad wird es schwierig, da stellt sich die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis“, sagt Jörg Baumhauer, Geschäftsführer von Re-Natur, einem Großhandel im Garten- und Landschaftsbau aus Schleswig-Holstein.
Seit über 20 Jahren plant und begrünt er Dächer, vor allem in Norddeutschland. Längst sei dies kein Öko-Nischen-Thema mehr, sagt der Ingenieur. So ließe sich beispielsweise eine Möbelhauskette seine Gebäude begrünen, weil es zum einen energiesparend sei und zum anderen auf günstige Weise vorgeschriebene Ausgleichsflächen entstehen. Auch für Besitzer von Bürohäusern lohne sich die Investition in Anlage und Pflege eines Dachgartens. „Mit einem Blick ins Grüne lassen sich einfach höhere Mieten erzielen als mit einem auf Beton.“
Für private Bauherren geben hingegen meistens ästhetische Überlegungen den Ausschlag. Neben der Dachneigung müssten diese vor allem prüfen, ob die Statik des Gebäudes das Aufbringen von Bodensubstrat und Pflanzen aushält, sagt Baumhauer. Mindestens vier, fünf Zentimeter Boden müssten sein, damit das Gründach langfristig halte. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Je mehr Substrat, desto üppigerer Bewuchs ist möglich und auch das Betreten oder sogar Bespielen schade dem Grün nicht. In Kiel hat Re-Natur sogar Spielflächen auf Kindergärten angelegt.
Die meisten Gründächer sind nach seiner Erfahrung aber doch die extensiv bepflanzten, also mit niedrigen Erdschichten und pflegeleichten trockenresistenten Sedumarten. Aber auch Kräuter sind ab fünf Zentimeter Bodensubstrat möglich: Zum Beispiel Thymian, Kamille und Schafgarbe sowie Glockenblume und Storchschnabel. Diese Dächer brauchen auch die geringste Pflege. Ganz ohne gehe es aber nicht, sagt der Fachmann. Wässern müsste man diese Dächer zwar nicht, aber düngen und kalken. Und aufpassen, dass Moose oder andere unerwünschte Pflanzen nicht die Oberhand gewinnen. Das müsse nicht unbedingt viel mehr Arbeit sein als bei unbepflanzten Dächern. „Jedes Dach muss gepflegt werden.“
Anders verhält es sich bei den intensiv mit üppigem Grün und Stauden bepflanzten Dächern. Diese gelten auch als pflegeintensiv – und kosten mehr in ihrer Anlage. Dabei gibt es in vielen Kommunen die Möglichkeit, sich die Kosten direkt oder indirekt über den Erlass von Abwassergebühren erstatten zu lassen. Das üppigste Angebot macht Hamburg. Bis 2019 gibt die Stadt 3 Millionen Euro aus, um Eigentümer zur Dachbegrünung zu verführen.
Gerade für Städte sind grüne Dächer attraktiv. Sie binden Feinstaub, dämpfen Verkehrslärm, sorgen für Artenvielfalt und Sauerstoff und – das ist aus Behördensicht das wichtigste Argument – nehmen Regenwasser auf, das in Extremfällen sonst die Kanäle überfluten lassen würde.
Jörg Baumhauer von Re-Natur
Manchmal schreiben Kommunen die Dachbegrünung auch vor. Jörg Baumhauer von Re-Natur erinnert sich, wie entsetzt die Immobilienfirma war, die mit der Entwicklung eines solchen Projekts in Flintbek bei Kiel befasst war. Ein ganzer Straßenzug sollte bewachsene Dächer bekommen, im Gegenzug wurden andere Gestaltungsauflagen gestrichen. „Das kriegen wir nie verkauft“, habe die Firma geglaubt, so Baumhauer. „Und dann waren die alle sofort weg.“ Er selbst findet das Klima in solchen Siedlungen unvergleichlich. „Das spürt man einfach, die Luft ist unglaublich gut.“
Deshalb bedauert er es, wenn manche Städte wie Bremen jetzt nur noch die Dachbegrünung von Hochhäusern fördern wollen. „Das kann man von der Straße weder sehen noch spüren.“
Er schlägt hingegen vor, auch kleinste Flächen wie auf Carports und Garagen zu begrünen, einfach weil es gut aussieht. „Und sei es nur ein Vogelhäuschen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen