Stadtschloss vor Gericht: Immer munter weiterplanen
Es kommt nicht oft vor, dass sich Standeskollegen so brutal in die Parade fahren. Aber weil es auf dem Bau schon immer etwas robuster zuging, ist der Berliner Architekt Hans Kollhoff vors Schiedsgericht gezogen.
Kollhoff hat sich über den Architekten des geplanten Humboldt-Forums, den Italiener Franco Stella, und den Bund als Bauherrn beschwert. Stella, sagt Kollhoff, habe beim Architektenwettbewerb 2008 über die Rekonstruktion des Stadtschlosses wegen fehlender Teilnahmeberechtigungen gar nicht mitmachen dürfen. Zudem seien die „Schlossbauverträge“ des Bundes und Vergabeleistungen von Stella an Projektgesellschaften unkorrekt gelaufen.
Die Vergabekammer des Bundeskartellamts gab Kollhoff im September 2009 Recht und kritisierte gleich eine ganze Serie von Schlampereien und Rechtsbrüchen. Sie forderte die Wiederholung des Schlossbau-Verfahrens ab der Juryentscheidung. Weil der Bundesbauminister die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen wollte, geht es heute vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht in die entscheidende Runde.
Kassieren die Richter das Bundeskartellamtsurteil, wäre Kollhoff natürlich sauer. Aber das geplante 552 Millionen teure Humboldt-Forum, in das einmal Museen, Bibliotheken und wissenschaftliche Sammlungen einziehen sollen, ginge weiter wie bisher. Stella bliebe Chefarchitekt, die Verträge blieben bestehen, und man hangelte sich wie bisher von Problem zu Problem finanzieller oder terminlicher Art. Denn schon jetzt ist klar, dass der aufwendigste Kulturbau der Republik um Millionen teurer wird als geplant und sich bis 2016 verzögern wird.
Teilt das Gericht aber die Ansicht der Vergabekammer – was nicht unwahrscheinlich ist –, stünden der Bauherr Bund, Architekt Stella und das gesamte Projekt vor einem erneuten Tiefpunkt – über den hinwegzukommen es bis dato aber keine Optionen gibt. Wenn es so käme, wäre eben das der Skandal hinter dem Skandal. „Alles unter Kontrolle“, heißt es seitens des neuen Bundesbauministeriums. Es verlässt sich darauf, dass die Vorwürfe in Düsseldorf „restlos“ ausgeräumt werden – und plant einfach munter weiter.
Angesichts derartiger Luftschlösser per Autosuggestion provoziert das die Frage, ob man nicht mit mehr Realismus weniger Schaden zu befürchten hätte. Denn eine Strategie, was aus Stella wird, wer weiterplant, was aus dem Siegerentwurf wird, ob die Drittplatzierten (darunter Kollhoff) zum Zuge kommen könnten et cetera, würde dem wackligen Gebäude des Schlossprojekts ein wenig mehr Halt geben.
Ach ja. An eine Kompensation für Kollhoff hat man auch nicht gedacht. Man stelle sich vor, er siegt vor Gericht und darf mitbauen – etwa mit Stella zusammen. Der nächste GAU.
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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