: Wenn der „Polit-Mob“ kommt
UMGANGSFORMEN Antirassisten kapern einen Pressetermin der AfD, bei dem es um Gängelung geht
Ausgerechnet auf einer Pressekonferenz zum Umgang mit Straftaten und Protesten gegen die AfD übernahmen gestern in Hannover anonyme Aktivisten des Netzwerkes „Aktiv gegen Rassismus“ das Kommando. In einer Mitteilung erklärte das Bündnis: „Die AfD nimmt bewusst die Rolle der rechten Scharfmacherin ein. Sie ist lebensgefährlich für schutzsuchende Flüchtende und wird den zahlreichen Willkommensinitiativen die Arbeit massiv erschweren.“
„Die AfD ist mitverantwortlich für Angriffe auf Flüchtlinge“, sagte gestern auf der gekaperten Bühne auch ein Mann mit Pferdeschwanz, Hornbrille und Schnauzbart. Neben ihm hielten andere Männer Plakate hoch – mit Aufschriften wie „Nationalismus ist keine Alternative oder „Refugees welcome“.
„Würden Sie bitte den Raum verlassen“, unterbrach Niedersachsens AfD-Chef Armin Paul Hampel. Kurz darauf, noch bevor die Polizei eintraf, waren die Aktivisten schon wieder verschwunden. Hampel bezeichnete den Vorfall als „kleine Störaktion, mit der ich leben kann“.
Es sind Situationen wie diese, die die rechtspopulistische AfD schon lange beschäftigen. Denn nicht immer bleibt es bei Störaktionen glimpflich: Im Oktober brannte in Berlin das Auto von AfD-Bundesvize Beatrix von Storch, vielerorts wurden schon Parteibüros demoliert, Wahlplakate zerstört, Parteimitglieder persönlich angegriffen. Niedersachsens Parteichef Hampel spricht von bundesweit mehr als 10.000 Straftaten des „Polit-Mobs“ seit Gründung der AfD – Tendenz angeblich steigend.
Auf dem Bundesparteitag hatte Hampel unter dem Jubel der Delegierten erstmals angekündigt, dass die Partei künftig alle derartigen Vorfälle erfassen will, die sich in Deutschland ereignen und von Polizei oder Staatsanwaltschaft bereits mit einem Aktenzeichen versehen wurden. Gestern war es so weit. Das Ziel ist klar: Durch die Dokumentation solle „das ungeheure Ausmaß der Angriffe auf die AfD“, so Hampel, für alle erkennbar werden. Dazu würden sechs ehrenamtliche Mitarbeiter, darunter ehemalige Richter, Staats- und Rechtsanwälte sowie Ex-Polizisten, Meldungen aus allen AfD-Kreisverbänden sammeln.
Die Einrichtung einer „Erfassungsstelle“ reiht sich aber auch perfekt ein in eine Reihe von Aktionen der Newcomer-Partei, die alle in eine Richtung zielen: die AfD als Opfer unfairer politischer Gegner zu präsentieren und das Misstrauen gegen die staatlichen Institutionen zu schüren.
Name und Standort dieser „Zentralen Erfassungsstelle“ sind dabei nicht zufällig gewählt: In Salzgitter existierte bis 1981 die „Zentrale Erfassungsstelle“ für Informationen über Menschenrechtsverletzungen des SED-Regimes in der DDR. „Das ist natürlich eine bewusste Anspielung, wir sehen da eine historische Parallele“, sagt Christian Lüth, Sprecher des AfD-Bundesverbands. Man habe den Eindruck, die Behörden widmeten den Angriffen auf Büros und Mitglieder der AfD nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit. (dpa/taz)
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