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100 % Berlin in einem Wohnhochhaus

Theater Die Performance „House of Hope“ der Medientheatertruppe Post Theater krempelt das Denken über Leben und Wohnen in Mitte radikal um

Neuer Kopf, neues Haus, neues Denken, neuer Wohnungsbau Foto: Post Theater

von Tom Mustroph

Wer Missstände ändern will, muss auch den Mut zu hochfliegenden Plänen haben. Die Medientheatertruppe Post Theater nimmt den oft von den darstellenden Künsten gekaperten, aber nur selten eingelösten Anspruch des Entwickelns von Visionen einmal richtig ernst. Ihre Produktion „House of Hope“ wird Berlins Skyline verändern, zumindest gedanklich. „Unser ‚House of Hope‘ soll am Fernsehturm stehen, auf dem Areal zwischen Rotem Rathaus und Fernsehturm, zu dem es derzeit auch den Bürgerdialog ‚Berliner Mitte‘ gibt. Es soll 50 Etagen haben, also bis an die Kugel heranreichen, Platz für etwa 1.000 Bewohner bieten und für jeden bezahlbar sein“, erzählt Regisseur Max Schumacher der taz.

Der Traum von der Bezahlbarkeit soll durch ein ungewöhnliches Finanzierungssystem realisiert werden: Jeder zahlt unabhängig von der Höhe seines Einkommens jeweils ein Drittel; Besserverdiener also viel, Geringverdiener wenig und Garnichtverdiener gar nichts. Denn Arme und Reiche sollen in dem „House of Hope“ per Konzept zusammenwohnen. „Wir wollen die Heterogenität Berlins widerspiegeln“, erläutert Schumacher. Das bedeutet, wenn aktuell der Arbeitslosenanteil Berlins bei 10 Prozent liegt, dann werden auch 10 Prozent der Hausgemeinschaft Arbeitslose sein. Bei 24 Prozent Akademikerquote in der Stadt wird jeder vierte Bewohner einen Hochschulabschluss vorweisen müssen, bei 54 Prozent Singles mehr als die Hälfte keinen festen Partner haben dürfen. „Es werden auch anteilmäßig genauso viele Flüchtlinge im Haus sein wie in Gesamtberlin. Wir sind in der Theorie strikt gegen Flüchtlingsunterkünfte, denn da wohnen ja nur Flüchtlinge. Das ist komplett falsch. Man müsste jetzt bei Neubauten schon daran denken, dass genauso viele Flüchtlinge in das Haus kommen, wie anteilsmäßig in der Stadt sind“, macht Schumacher auf einen weiteren demografischen und sozialen Aspekt aufmerksam.

In der Realität kann das Wohnen nach Kategorien zu Problemen führen. Wenn ein Arbeiter nun studiert und als Akademiker einen besser bezahlten Job erhält, fliegt er zwar nicht gleich raus. „Wenn er dann aber auch noch heiratet und so seinen sozialen Status weiter verändert, kann es passieren, dass er sich neu bewerben muss“, meint Schumacher. Gleiches gelte für einen Akademiker, der arbeitslos wird, sich auch noch scheiden lässt und damit in mehreren Kriterien die Verhältnisse verändert. „Wir sind visionär, aber auch streng rational und autoritär“, sagt Schumacher forsch. Immerhin geht er auch von einer natürlichen Fluktuation in seinem utopischen Wohnhochhaus aus.

Reich und arm zusammen

Dass das Konzept überhaupt funktionieren könnte und Reiche mit Armen zusammenwohnen und dafür noch wesentlich mehr zahlen, hofft Schumacher durch zwei Faktoren zu erreichen. „Das Haus soll eine hohe Wohnqualität haben und über viele Gemeinschaftsräume und auch mehrere Swimmingpools verfügen“, lautet der eine Aspekt. Den anderen sieht er darin, dass die Bewohner eine Art Wohnutopisten darstellen und sich mit ihrer sozialen Kompetenz brüsten können. „Früher war als Statussymbol wichtig, welches Auto ich fahre. Später gab man an, in welche Länder man reiste. Jetzt ist man attraktiv, wenn man Flüchtlinge kennt. Im ‚House of Hope‘ teilt man sich mit ihnen sogar den Pool“, lautet Schumachers verblüffende Prognose.

Den Traum von der Bezahlbarkeit soll ein ungewöhnliches Finanzierungssystem realisieren

Zumindest bringt sein Wohnmodell die festgefahrenen Denkschemata zum Thema Wohnungsbau durcheinander. „Es gibt da zwar einige Ideen, aber die sind meist sehr kleinteilig gedacht. Das sind dann Aktivhäuser oder Mehrgenerationenhäuser im Kontext von Baugruppen, in denen sich aufgeklärte Besserverdienende ein schönes Heim bauen. Der soziale Wohnungsbau, wie wir ihn kennen, ist komplett verfehlt, weil er teuer ist und vor allem den Investoren Geld bringt, wobei er wenig nachhaltig ist. Denn nach 15 oder 30 Jahren fällt die Sozialbindung weg, und die Wohnungen landen auf dem kommerziellen Markt“, kritisiert Schumacher den Status quo.

Ihr utopisches Wohnmodell spielen die vier Performer vom Post Theater in insgesamt 16 Szenen durch. Darin soll es vor allem um die sozialen Reibungsenergien eines solchen Wohnkonstrukts gehen. Vom Spielort Theaterdiscounter aus kann man sogar auf den vorgesehenen Baugrund schauen. Realitätsnäher geht es kaum.

Nur einen deutlichen Makel hat das Projekt noch. Zwar halfen die Architekturbüros umschichten aus Stuttgart und ON architektur aus Berlin bei der Projektvorbereitung. Aber durchgerechnet, was so ein 50-Etagen-Hochhaus kosten und wie viel Jahre es brauchen würde, die Baukosten mit einem Drittel der Einkommen auch abzuzahlen, wurde nicht. „Das können wir nicht auch noch leisten. In unserem Spielversuch gehen wir von einem Gönner aus dem Silicon Valley aus“, zeigt Schumacher die Grenzen der Vision auf.

„House of Hope“, 9.–12. 3. 20 Uhr, Theaterdiscounter, Klosterstr. 44, Eintritt 13, erm. 8 Euro

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