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Ein Herz für Deutsche

RASSISMUS Aktivisten engagieren sich für deutsche Obdachlose. Verfassungsschutz sieht Bezüge zum rechtsextremen Lager

Namensgleichheit mit NPD-Kampagne reiner Zufall? Foto: Stefan Boness/Ipon

von Francis Laugstien

Sie verteilen Lebensmittel, Kleidung und Schlafsäcke an deutsche Obdachlose – und machen gleichzeitig Stimmung gegen Flüchtlinge. Das werfen mehrere Berliner Hilfsorganisationen für Wohnungslose einer Gruppe namens „Deutsche helfen Deutschen“ vor, die seit einigen Monaten auf Facebook aktiv ist. In der Seitenbeschreibung heißt es: „Deutschland hat in Massen Geld für Flüchtlinge, aber unsere eigenen Obdachlosen und armen Menschen werden gänzlich vergessen!!“ Um den „eigenen Obdachlosen“ zu helfen, sammeln die Aktivisten Spenden von Unterstützern, um diese dann weiterzugeben. Bilder zeigen Aktionen an den Bahnhöfen Zoologischer Garten und Frankfurter Allee. In Nutzerkommentaren wird immer wieder darum gebeten, die Hilfspakete nicht an Flüchtlinge auszugeben.

Wegen ihres Internetauftritts wird die Gruppe auch vom Verfassungsschutz beobachtet. In einem Kurzbericht heißt es: „Sowohl die Analyse des Interessentenkreises als auch der übersichtliche Kreis an eingeladenen Teilnehmern sprechen zumindest für Bezüge und Vernetzungen der Organisatoren mit der rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Szene Berlins (wie beispielsweise Bürgerbewegung Pro Deutschland, Bärgida).“ Daneben sprächen auch der Name und die Aktivitäten der Gruppe für Verbindungen zum rechtsextremen Lager: „Insbesondere die NPD-Sachsen hat im Zuge der Kampagne ‚Deutsche helfen Deutschen‘ Aktionen durchgeführt und etwa Versorgungspakete verteilt.“

Dabei werden offenbar nicht nur Decken und Konservendosen ausgegeben. „Die Wohnungslosen berichten uns, dass bei Verteilaktionen von ‚Deutsche helfen Deutschen‘ auch Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht wird“, sagt ein Sprecher des Vereins Gangway, der sich in Berlin seit sechs Jahren um Obdachlose kümmert. „Den Bedürftigen wird eingeredet, dass sie mit ihnen um Spenden und Wohnraum konkurrieren.“

Ob es sich dabei auch um die Betreiber der Berliner Facebook-Seite handelt, lässt sich wegen der weiten Verwendung des Namens nicht zweifelsfrei feststellen. Eine Anfrage der taz wurde von den Aktivisten abgewiesen. In einem Beitrag auf ihrer Seite erklärten sie aber: „Wir gehören weder der NPD, noch der AFD an.“ Trotzdem gibt es Hinweise darauf, dass sie ihren Namen nicht zufällig ausgewählt haben. Zum Zeitpunkt der Recherche befand sich auf der Seite ein Link zu einer Gruppe in Genthin, die unter dem Namen ‚Deutsche helfen Deutschen‘ Pakete in Sachsen-Anhalt verteilt haben soll. Auf deren Seite wiederum wird massiv gegen Flüchtlinge gehetzt.

Für den 5. März hatte die Berliner Gruppe eigentlich zu einer Mahnwache für verstorbene Obdachlose aufgerufen. Zu der Veranstaltung am Breitscheidplatz waren laut Polizei 100 Teilnehmer angemeldet. Nach einem kritischen Artikel in der Morgenpost wurde die Kundgebung aber abgesagt. Der Grund: Sicherheitsbedenken. Die rechten Aktivisten sehen sich nun als Opfer einer Medienintrige.

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