Bosnischer Menschenrechtler gestorben: Alles, nur nicht nationalistisch
Er war Journalist, jugoslawischer Diplomat und zuletzt Ikone der Zivilgesellschaft in Sarajevo. Nun ist Srdjan Dizdarevic gestorben.
Srdjan Dizdarevic stammt aus einer prominenten Partisanenfamilie – sein Onkel Raif Dizdarevic war der vorletzte Präsident Jugoslawiens. 1976 schloss er sein Studium an der Universität von Sarajevo ab, wurde Chefredakteur der damaligen Jugendpresse, dann stellvertrender Chefredakteur der Tageszeitung Oslobodjenje („Befreiung“).
Er beeinflusste wesentlich die Diskussion über die Demokratisierung des Systems in den achtziger Jahren, als in Jugoslawien nach dem Tod Titos 1980 um die Zukunft des Landes gerungen wurde. Ende der 80er Jahre wurde er Diplomat an der jugoslawischen Botschaft in Paris.
Doch nicht der demokratische Flügel im Bund der Kommunisten und die anderen Reformkräfte sollten das Schicksal des Landes bestimmen, sondern die Nationalisten und Wendehälse in den Republiken Jugoslawiens.
Zu Beginn des Krieges in Bosnien 1992 kehrte Dizdaravic aus Paris in das von serbischen Truppen belagerte Sarajevo zurück und erhob seine Stimme gegen Rassismus und Nationalismus. Als Sprecher der Zivilgesellschaft wurde er vor allem nach dem Krieg zum begehrten Gesprächspartner für ausländische Diplomaten und Politiker.
Die Nationalisten aller Seiten jedoch versuchten bis zuletzt mit allen Mitteln – auch persönlichen Diffamierungen – gegen den unbequemen Verfechter einer multinationalen, demokratischen Gesellschaft vorzugehen. Angesichts seines Engagements für Menschenrechte wurde er 1995 zum Vorsitzenden des bosnischen Helsinki-Komitees für Menschenrechte gewählt und bald darauf Vizepräsident der weltweiten Organisation.
Als führendes Mitglied der nichtnationalistischen Bürgerpartei „Nasa Stranka“ – die bei den letzten Wahlen in Sarajevo über 10 Prozent der Stimmen gewann – trat er für eine Zusammenarbeit der Partei mit den europäischen Grünen ein. Mit Srdjan Dizdarevic hat Sarajevo einen seiner herausragenden Intellektuellen verloren.
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