Wahlkampf in Uganda: Das Familienduell
Seit 30 Jahren ist Yoweri Museveni Präsident Ugandas. Bei der Wahl am Donnerstag fordert ihn ein alter Weggefährte heraus: Amama Mbabazi.
Jacky, wie sie von allen genannt wird, ist die Strategin im Machtkampf ihres Mannes. Sie zeigt auf ihre schwarz verfärbten Hände, von denen sich die Haut abpellt. Sie ist todkrank: Darmkrebs lautete die Diagnose ihrer Ärzte in London. Sie aber behauptet, sie sei mit Plutonium vergiftet worden, von Ugandas Präsident Museveni persönlich, der ihr zwei Kapseln in einem Sandwich untergeschoben habe.
Vor den am 18. Februar anstehenden Wahlen ist die Klatschpresse voll von Geschichten wie dieser. Der Machtkampf zwischen Präsident Yoweri Museveni und Herausforderer Mbabazi ist keiner zwischen zwei Politikern, die sich um neue Straßen, Landwirtschaftspolitik und Massenarbeitslosigkeit streiten. Er ähnelt eher einer Seifenoper mit Starbesetzung. Es ist ein Machtkampf zwischen zwei der politisch mächtigsten Familien Ugandas, und er zerreißt das Land. Mbabazi war einer der engsten Vertrauten des Präsidenten, jahrzehntelang standen sie Seite an Seite. Ausgerechnet er fordert ihn heraus.
„Unsere Familien haben sich einmal so nah gestanden – 42 Jahre lang“, erzählt Jacqueline Mbabazi. Sie zeigt in den Garten: Da tollte Musevenis ältester Sohn Muhoozi Keinerugaba, heute 41 Jahre alt, als Knirps herum. Sie sei ihm wie eine Tante gewesen, ihre Kinder hätten gemeinsam gespielt. Jetzt sind die beiden Familien bis auf den Tod verfeindet: „Es ist unsäglich, was Museveni mir und meiner Familie in jüngster Zeit angetan hat“, klagt sie und erklärt sich zum Opfer. Was Inszenierung ist in diesem Machtkampf und was Realität, ist manchmal schwer zu durchschauen.
„Der alte Mann mit dem Hut“
Eine Wahlkampfveranstaltung in Kakindu. Die Menge jubelt, als sich der Geländewagen einen Weg durch die Menschen bahnt. Präsident Museveni und seine Frau Janet stehen im Auto und winken aus dem offenen Dach. Beide sind gekleidet in Knallgelb, der Farbe ihrer Partei, der Nationalen Widerstandsbewegung, kurz NRM, beide tragen große Hüte, das Symbol ihrer Macht.
„Der alte Mann mit dem Hut“ wird Museveni genannt, denn der 71-Jährige mimt gern den Großvater der Nation und ganz Ostafrikas. Er war 1986 Afrikas erster Guerillaführer, der mit der Waffe in der Hand die Macht ergriff, an der Spitze einer Rebellenarmee. Er wollte unfähige und korrupte Politiker hinwegfegen, das Land neu aufbauen ohne Parteienstreit und Tribalismus, Afrika vereinen. Museveni stand Modell für viele afrikanische Befreiungskämpfer. Sie beobachten jetzt gebannt, ob es ihm gelingt, sein bröckelndes Erbe zu retten.
Das macht diese Wahl weit über Ugandas Grenzen hinaus bedeutsam. Museveni ist jetzt 30 Jahre an der Macht, vier von fünf Ugandern haben nie einen anderen Präsidenten erlebt – sie erleben die Politik ihres Landes als Stillstand. Wie lange kann er noch den Unbezwingbaren mimen?
Ein paar tausend Ugander schwenken Museveni-Plakate. Der NRM hat gelbe T-Shirts verteilt. Jugendliche, Frauen, Kinder und Alte, alle in den Farben der Partei, haben im kleinen Dorf Kakindu auf dem Fußballplatz der Grundschule den ganzen Tag in der Äquatorsonne ausgeharrt. Dass der Präsident in diesem Ort rund 50 Kilometer vor der Hauptstadt Kampala vorbeischaut, ist für sie ein Highlight. Hierher führt nicht einmal eine geteerte Straße. Museveni ließ sich mit dem Hubschrauber am Ortseingang absetzen.
Als sein gepanzerter Geländewagen anhält und das Präsidentenpaar aussteigt, salutieren Soldaten der Präsidentengarde. Sie gehören zu Ugandas Spezialeinheit, die von Musevenis Sohn Mohoozi kommandiert wird – dem Knirps von einst. Nach 30 Jahren Museveni ist Uganda ein großes Familienunternehmen.
Die First Lady wird von einem Uniformierten zu einem lederüberzogenen Stuhl geführt. Sie geht langsam, ihre Beine sind geschwollen, die Füße stecken in weißen Adidas-Turnschuhen. Auf Wahlplakaten wirkt sie jung – die Fotos darauf wurden schon in vergangenen Wahlkämpfen benutzt. In Momenten wie diesen aber sieht man den Musevenis das Alter an. Der Präsident ist 71, seine Frau 67 Jahre alt.
Doch in Rente zu gehen, das kommt dem Alten mit dem Hut nicht in den Sinn. „Ich kann jetzt noch nicht gehen, da all das, was wir gepflanzt haben gerade erst Früchte trägt“, erklärt er bei der Wahlkampfveranstaltung in Kakindu. Zu seinen Visionen gehört eine ostafrikanische Union nach dem Vorbild der EU. „Ich werde abtreten, sobald Ostafrika vereint ist“, sagt er – natürlich unter ihm. Den Wählern erklärt er: Die Aufgabe des Volkes sei, Gott zu fürchten, Wohlstand zu generieren, sich vor HIV zu schützen und die Regierungspartei NRM zu unterstützen, also ihn selbst. Dann verspricht er eine geteerte Straße, eine Oberschule, Wasser und Strom. Nach 15 Minuten ist alles gesagt.
Es besteht wenig Zweifel, dass Museveni auch diesmal die Wahl gewinnen wird. Doch dieses Mal muss er sich anstrengen. Täglich besucht er drei bis vier Dörfer, landauf, landab, um sich jede Stimme zu sichern. Denn noch nie hatte er einen so starken Herausforderer.
„JPAM“ und das gebrochene Gentlemen‘s-Agreement
John Patrick Amama Mbabazi galt bislang als Ugandas Nummer zwei. Er ist ein Insider des Regimes, der jedes Geheimnis, jeden Trick kennt. Er war Chef des Auslandsgeheimdienstes, Justizminister, Verteidigungsminister, Sicherheitsminister, nach den letzten Wahlen 2011 Premierminister und NRM-Generalsekretär. Er galt stets als einer, der dem langjährigen Präsidenten nachfolgen könnte.
Jacky Mbabazi berichtet von einem Versprechen des Präsidenten gegenüber ihrem Mann, die Macht an ihn zu übergeben – eine Art Gentlemen‘s-Agreement. Aber dann ließ sich Museveni im Februar 2014 doch wieder als NRM-Spitzenkandidat aufstellen. Der Schlüsselmoment für die Mbabazis, mit ihm zu brechen. „Museveni wurde so gierig und sprach immer von seinem Öl, seinem Geld, als ob das ganze Land nur ihm gehören würde“, wettert sie und erzählt, wie sie dem Präsidenten vor den versammelten Genossen Diktatur vorwarf. „Danach bin ich nach Hause und habe meinen Mann aufgefordert, gegen Museveni anzutreten. Sonst hätte ich es selbst getan.“
Seitdem tourt Mbabazi mit seinem kleinen Konvoi ebenfalls durch Ugandas Dörfer. Er bezichtigt den Präsidenten der Wahlfälschung, beschimpft die Minister als Marionetten und tönt: „Mein älterer Bruder hat eine Ein-Mann-Regime errichtet.“ Die Bewegung, die er gegründet hat, nachdem er die NRM verlassen musste, hat er „Go forward!“ getauft, „Vorwärts!“. Eine Minderheit der Parteigenossen hat sich ihm angeschlossen. Die NRM, Musevenis Machtsäule, ist gespalten.
Dementsprechend ruppig geht Musevenis Lager mit dem Herausforderer um. „Sie haben uns alle Geldquellen zugedreht und uns wirtschaftlich ruiniert“, sagt Jacqueline Mbabazi. Ihr Wahlkampfteam erhalte anonyme Drohanrufe oder werde bestochen. Mbabazis Konvoi war auf Ugandas löchrigen Straßen während der Wahlkampftour in mehrere Unfälle verwickelt. Jedes Mal bezichtigen die Mbabazis die Spione des Präsidenten, sie umbringen zu wollen.
Im Dezember kam es zum Eklat, im Bezirk Ntungamo, wo sich Musevenis und Mbabazis Wahlbezirke treffen. Museveni-Fans in gelben T-Shirts bewarfen Mbabazis Auto mit Steinen. Der schickte seine Leibwächter hinter ihnen her. Es kam zu einer Massenschlägerei. Der Vater von Mbabazis Chefleibwächter hatte mit Museveni 1986 das Land erobert. Dass der Sohn nun Mbabazi schützt, ist in Musevenis Augen Verrat. Nach der Prügelei verschwand der Chefleibwächter. Mbabazi bezichtigt Museveni, ihn ermordet zu haben.
Und so wird mittlerweile nicht mehr nur verbal aufgerüstet. Die Polizei hat sich neue Tränengas- und Wasserwerfer zugelegt. „Solange Präsident Museveni auf seinem Thron sitzt, schickt nicht eure Kinder los, um Chaos bei den Wahlen zu verursachen, sonst wird sich die Regierung um sie kümmern und sie erschießen“, heißt es aus der Präsidentenpartei NRM.
Seit den Zeiten Idi Amins waren sie befreundet
Die beiden Familien kennen sich seit den 1970er Jahren, aus den Zeiten der Opposition gegen Ugandas Diktator Idi Amin. Museveni wurde Rebellenführer. Mbabazi, gerade mit dem Jurastudium fertig, rekrutierte an Kampalas Makerere-Universität Widerständler, darunter Jacqueline, damals 18 Jahre alt. Museveni und Mbabazi wurden enge Gefährten im Befreiungskampf. Mbabazi nennt Museveni seitdem seinen „älteren Bruder“.
Als der Buschkrieg 1981 ausbrach, flohen die Familien zuerst nach Kenia, dann nach Schweden. Doch während ihre Männer im ugandischen Busch Schulter an Schulter eine Revolution anzettelten, wurden die beiden Frauen nie wirklich warm miteinander. „Während ich Biotechnologie studierte, las Janet Museveni die Bibel“, erinnert sich Jacqueline.
Beide beanspruchten nach ihrer Rückkehr 1987 in das vom Krieg zerstörte Uganda, die wichtigste weibliche Führungsfigur zu sein. Sie wollten beweisen: Die Rebellenbewegung, die auch für Gleichstellung kämpfte, hat nicht nur das Land, sondern auch die Frauen befreit. Seitdem ist Politik nicht mehr nur Sache der Männer, sondern der Familien.
Während sich Janet Museveni im State House einrichtete und die Rolle der First Lady annahm, wurde Jacqueline Mbabazi zu einer der wichtigsten Managerinnen in Uganda. Sie stampfte die staatliche Rüstungsschmiede NEC aus dem Boden, dann gründete sie Ugandas Steuerbehörde. 2010 wechselte sie in die Politik. Sie wurde Vorsitzende der Frauenliga der NRM, als deren Generalsekretär ihr Mann diente.
Die Kinder heißen nach Lenin, Ché, Mao und Marx
Auch Janet Museveni strebte in die Politik. Sie ließ sich 2006 ins Parlament wählen. Nach ihrer Wiederwahl 2011 wurde sie Ministerin für Karamoja, eine unterentwickelte und instabile Region im Nordosten des Landes. An diesem Beispiel wird deutlich, wie Musevenis Familienpolitik funktioniert: Vater Museveni entsandte die Elitetruppen des Sohnes Muhoozi, um die Viehhirten zu entwaffnen, die sich dort um lukrative Rinderherden bekriegten.
Damit wurde die Unruheregion entlang der Grenze zu Kenia und Südsudan zum Herrschaftsgebiet der Präsidentenfamilie. Ein lukratives noch dazu, im Boden lagern unerschlossene Goldvorkommen. Kaum war es in Karamoja ruhig, kam Musevenis Halbbruder ins Spiel: General Caleb Akandwanaho, bekannt unter seinem Kriegsnamen Salim Saleh, riss sich die lukrativen Landrechte und damit die Goldkonzessionen unter den Nagel. Heute gilt er als Ugandas größter Privatunternehmer.
„Dass sich die First Lady aktiv in der Politik zu engagieren begann, war ein großer Fehler“, sagt Jacky Mbabazi. Über familiäre Verbindungen hebele Museveni die Institutionen aus. „Eigentlich sollte die Partei der Regierung die Direktiven vorgeben und den Präsidenten führen“, sagt sie. Eine marxistische Überzeugung, die auch in die Namenswahl der Mbabazi-Kinder eingeflossen ist. Tochter Nina wurde nach Lenin benannt, Tochter Rachel trägt den Zweitnamen Ché, die Söhne heißen Mao und Mark Karl Marx.
Doch die Partei – das waren sie selbst: ihr Mann als NRM-Generalsekretär und sie an der Spitze der NRM-Frauenliga, in welcher sich auch ihre Schwestern engagierten. Auch die Herausforderer trennen nicht zwischen Politik und Familie.
Ugandas „State House“, ein Familienanwesen
Wie sehr die Präsidentenfamilie mit der Politik verwoben ist, sieht man im State House, dem Amtssitz des Präsidenten. Unter britischer Kolonialherrschaft errichtet, war das State House einst eine unscheinbare Villa in Entebbe, 40 Kilometer südlich von Kampala. Es liegt neben dem internationalen Flughafen. Davor parken Kampfhubschrauber und Düsenjets, der ganze Stolz der Luftwaffe und Symbol von Musevenis Großmachtanspruch. Als 2007 zum Commonwealth-Gipfel die Queen kam, ließ Museveni das Gebäude großspurig ausbauen. Außenfassade und Dimensionen erinnern jetzt an das Weiße Haus in Washington.
Dementsprechend hat sich auch die Institution vergrößert. Wer durch die langen Flure mit dem purpurroten Teppichboden irrt, vorbei am Konferenzsaal mit über 500 Plätzen und den Büros der weit über 100 Präsidentenberater, der wird das Gefühl nicht los, dass mittlerweile der ganze Familienklan in dieser gewaltigen Trutzburg Einzug gehalten hat.
Miriam Karugaba, Musevenis Schwester, verwaltet den Amtssitz. Ihr Ehemann Jimmy Karugaba ist für die Finanzen und Konten der Präsidentschaft zuständig. Musevenis Tochter Natasha Karugire agiert als seine Privatsekretärin. Dutzende Neffen und Nichten, Cousinen und Cousins, Schwager und Schwägerinnen gehen hier ein und aus – die Besetzung des State House ähnelt einem Familienstammbaum.
„Museveni hat sämtliche Institutionen personalisiert“
Symbolträchtig liegt unterhalb des Anwesens das Hauptquartier der Spezialkräfte, die für den Schutz des Präsidenten zuständig sind. Sie gelten als eine der besten Elitetruppen Afrikas. Immerhin hat ihr Kommandant und Musevenis Sohn, Brigadegeneral Muhoozi, den Großteil seiner Schnellschusskarriere in den USA absolviert. Unter seinem Kommando kämpfen ugandische Soldaten gegen Islamisten in Somalia, jagen in der Zentralafrikanischen Republik den flüchtigen Rebellenführer Joseph Kony und verteidigen im Nachbarland Südsudan Musevenis Schützling Präsident Salva Kiir.
Der eher zurückhaltende 41-Jährige Muhoozi garantiert die Großmachtpolitik seines Vaters bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Er ist noch dazu mit der Tochter von Außenminister Sam Kutesa verheiratet. Somit sind auch Ugandas Verteidigungs- und Außenbeziehungen Familiensache.
Muhoozis Blitzaufstieg brachte so einige hochangesehene Generäle auf die Barrikaden. Viele Generäle können es nicht fassen, dass der „Knirps“ die Speerspitze der Armee befehligt – auf direkte Weisung seines Vaters. Muhoozi weiß um den Neid und winkt höflich ab.
„Es ist unvorstellbar, dass Muhoozi einmal einen anderen Präsidenten beschützt als seinen Vater“, sagt Patrick Mwambutsya-Ndebesa. Ugandas führender Historiker von der Makerere-Universität hat sich ausführlich mit Musevenis Macht- und Personalpolitik beschäftigt. „Er hat sämtliche Institutionen personalisiert und ein gewaltiges Patronagesystem errichtet, das ganz allein auf ihn zugeschnitten ist“, so der Professor. „Man muss sich mal vorstellen, dass Museveni morgen früh tot in seinem Bett liegt, was wird dann geschehen?“
Er liefert die Antwort gleich mit: Frau Janet oder Bruder Salim Saleh könnten kurzfristig übernehmen, bis der Sohn so weit wäre. „Wenn der Museveni von 1986 dem Museveni von 2016 begegnen würde“, so der Historiker, „dann würden sie sich den Krieg erklären.“
„Die sind doch alle gleich“
In dem kleinen Ort Kakindu, den Museveni auf seiner Wahlkampftour besucht, steht der 22-jährige Martin Mivule in der Menge und guckt sich das Schauspiel mit gerunzelter Stirn an. Er gehört zu jener Generation Ugander, die unter Museveni geboren sind. 78 Prozent der Bevölkerung haben keinen anderen Präsidenten erlebt. Mivule wünscht sich für den 18. Februar einen Wechsel. „Aber was nützt es, den Vater loszuwerden, wenn man weiß, dass dann ein Mbabazi oder ein Muhoozi in die Fußstapfen tritt – die sind doch alle gleich“, seufzt er.
Die Menschen in Kakindu aber jubeln Museveni zu, als der sich bei der Bevölkerung bedankt, „die mir den Hubschrauber gekauft hat“. Dann lassen er und seine Frau Janet sich in den Familienpalast fliegen.
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