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Gestrandet an der Grenze zur Türkei

Krieg Zehntausende vor der syrisch-russischen Offensive geflüchtete Menschen aus dem Raum Aleppo dürfen vorerst nicht in die Türkei einreisen

Auf der Flucht in Richtung Türkei: syrische Mopedfahrerin vor dem Übergang Bab-al-Salam Foto: Bunyamin Aygun/ap

AUS ISTANBUL Jürgen Gottschlich

Zehntausende syrische Flüchtlinge campierten am Wochenende an der Grenze zur Türkei. Bislang hält die türkische Regierung die Grenze geschlossen und versucht die Flüchtlinge auf der syrischen Seite zu versorgen.

Zwischen der Grenze und der noch von Rebellentruppen gehaltenen syrischen Stadt Azaz sind acht Flüchtlingslager aufgebaut worden, die von der Türkei aus versorgt werden. Die türkische Regierungsorganisation für Flüchtlinge AFAD schaffte mit Lastwagen Zelte über die Grenze, um weitere Lager aufzubauen. „Die Flüchtlinge sind dort erst einmal sicher“, sagte der türkische Innenminister Efkan Âlâ. Verletzte und besonders Bedürftige würden über die Grenze gelassen, ansonsten blieben die Tore erst einmal geschlossen.

Der neue Flüchtlingsstrom ist Folge der verstärkten russischen Luftangriffe und einer Offensive der Assad-treuen Bodentruppen im Raum Aleppo. Die türkische Regierung äußerte sich darüber besorgt. Auf einer Pressekonferenz betonte Staatspräsident Tayyip Erdoğan, er werde nicht denselben Fehler machen wie im Irak, als die Türkei sich beim US-Angriff auf die Truppen Saddam Husseins heraushielt und anschließend bei der Neuordnung des Irak kein Mitspracherecht hatte.

Dazu passt eine Meldung der regierungsnahen Zeitung Yeni Șafak, die am Sonntag berichtete, dass ein von Saudi-Arabien gegründete muslimisch-sunnitische Anti-IS-Bündnis sich auf einen Einsatz von Bodentruppen in Nordsyrien vorbereite. Bereits am Freitag hatte der saudische Verteidigungsminister überraschend erklärt, sein Land sei bereit, unter bestimmten Voraussetzungen Bodentruppen einzusetzen.

Nach der von Yeni Șafak verbreiteten Meldung geht es dabei aber nicht um einen Anti-IS-Einsatz. Stattdessen wollen die Saudis an der Spitze einer sunnitischen Allianz mit türkischer Unterstützung gegen die Assad-Allianz mit Iran und Russland antreten. Denn „wenn Aleppo fällt“, so zitiert Yeni Șafak einen Kommandeur der Anti-Assad Kämpfer in Aleppo, sei der Aufstand in Syrien am Ende.

Während dieser Eskalation kommt am Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Ankara, um mit Erdoğan und Ministerpräsident ­Ahmet Davutoğlu über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Erdoğan dürfte besonders erfreut darüber sein, dass ihn die EU offiziell daran erinnerte, er sei nach der Genfer Konvention verpflichtet, die syrischen Flüchtlinge aus Aleppo sofort ins Land zu lassen, gleichzeitig aber noch lauter forderte, die Türkei solle endlich dafür sorgen, dass weniger Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland gelangen.

Die russisch-iranisch-syrische Großoffensive gegen den von den Rebellen gehaltenen Teil von Aleppo macht die Lage aber jetzt noch einmal komplizierter. Mehrere Hunderttausend Menschen könnten bei einer Fortsetzung der Angriffe noch in Richtung Türkei drängen, sagte Regierungssprecher Numan Kurtulmuș, „eine Last, die wir nicht mehr tragen können“. Erdoğan wird deshalb mit Merkel diskutieren, ob unter den neuen Umständen in Syrien die Verabredung noch Bestand haben kann, nach der die Türkei weitere Flüchtlinge aufnimmt und dafür von der EU zusätzliche Gelder erhält. Zwar hat Merkel jetzt endlich die feste Zusage der versprochenen 3 Milliarden Euro Hilfsgeldern für die Türkei im Gepäck, doch dafür könnte es zu spät sein.

Offenbar als ein Zeichen des guten Willens gegenüber Berlin hat die Türkei am vergangenen ­Wochenende die Grenzkontrollen für irakische Flüchtlinge verstärkt. ­Personen, die kein Schengen-Visum zur Weiterreise nach ­Europa besitzen, benötigen jetzt ein türkisches Visum, das sie bereits in ihrer Heimat beantragen müssen.

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