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„Wir haben es satt“-Demo in BerlinBreiter Protest für die Wende

Rund 20.000 Menschen haben in Berlin für eine Agrarwende demonstriert. Landwirte und KonsumentInnen protestierten gemeinsam.

Die Stars der Veranstaltung: Traktoren bei „Wir haben es satt“ Foto: dpa

Berlin taz | Mehrere Zehntausend Menschen haben sich bei 0 Grad und eisiger Kälte gegen Mittag am Potsdamer Platz eingefunden. Eine Blechblascombo bringt die Menge in Bewegung. Gleich zu Beginn der Auftaktkundgebung definiert Veranstalter Georg Janßen, Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Grenzen der Toleranz deutlich: „Wir lassen uns die Demonstration nicht durch Provokateure kaputt machen.“ Wer Bauern verunglimpfen wolle oder aus der rechten Ecke komme, der solle gefälligst abhauen.

23.000 TelnehmerInnen sind laut Veranstalter zur „Wir haben es satt“-Demo gekommen, nach Polizeiangaben waren es aber höchstens 13.500. Das Bündnis besteht aus mehr als 40 Organisationen, Verbänden und Bürgerinitiativen und wird durch die größten Umweltschutzorganisationen, wie etwa dem NABU, BUND oder Greenpeace, getragen. Sie verbindet Forderungen nach einem Ende von Massentierhaltung, Preisdumping und Gentechnik in der Landwirtschaft, sowie eine Grundsatzkritik an den geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA.

NABU-Chef Olaf Tschimpke forderte, dass die Landwirte für ihr Leistungen bezahlt werden müssen. Das Geld sei da. Michael Wümmer vom Aktionsbündnis Agrarwende erhoffte sich vom Bürgerbegehren gegen Massentierhaltung in Brandenburg, das kürzlich erfolgreich mehr als 100.000 Unterschriften sammeln konnte, ein „Zeichen“ für die gesamte Bundesrepublik.

Auch die Berliner Staatssekretärin für Justiz und Verbraucherschutz, Sabine Kattau (CDU), war gekommen. Sie forderte „Gute Ware für gutes Geld.“ Da müssten auch Verbraucher umdenken. Ottmar Ilchman, ein konventioneller Milchbauer, kritisierte vor allem Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmidt (CSU) für seine Stumpfheit, mit der auf die Not der BäuerInnen reagiere. „Ändern sie jetzt und sofort die Ausrichtung Ihrer Landwirtschaftspolitik“, forderte er.

Mit dabei auch 130 Traktoren von BiobäuerInnen aus allen Teilen Deutschlands, die den Demonstrationszug bis zum Kanzleramt anführten. Ihnen galt der längste Applaus. Am weitesten hatte es wohl ein Landwirt aus Stuttgart. Mit Anton Hofreiter, Vorsitzender der Grünen, Simone Peter als Bundesvorsitzende, der ehemaligen Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Renate Künast die Grünen prominent vertreten. Auch die Linkspartei nahm teil. Ihr Motto: Kein Recht auf Profit – TTIP und CETA stoppen.

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11 Kommentare

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  • Ich mußte alt werden, um fest zu stellen, daß Kohl sehr schmackhaft ist, ob weiß oder rot oder sonstwie. Daß Kürbisse kaum Pflege verlangen. Daß Topinambur wie Unkraut wächst. Daß Brennnesselsuppe ausgezeichnet schmeckt. Und daß trockenes Brot gesünder ist als frisches (zudem billiger).

     

    Für meine Esel und Schafe kaufe ich ab und zu Brotreste im Kaufhaus: unverkäuflich, beste Qualität, kann nicht mehr für den Verzehr verkauft werden, in der Verpackung. Und für nur 5% des normalen Preises. Das wird mit den Tieren geteilt! Essensabfälle gibt es in unserm Haushalt nicht.

     

    Ich sollte mal den Spareffekt ausrechnen.

  • Der Kunde ist König! Auf den kritischen Sinn des Konsumenten kommt es an.

     

    Wenn wir verschiedene Produkte nicht kaufen würden, könnten die Produzenten nicht anders als die Chose einstampfen. Klingt naiv. Aber 10% wären schon eine signifikante Menge.

     

    Mein Problem ist, die nötige Information zu erhalten, um entscheiden zu können.

     

    Ich kaufe beim Bauern und bei der Marktfrau, die ihren eigenen Gemüsegarten unterhält. Vielleicht sind deren Eier etwas teurer, aber ich weiß, aus welchem Stall sie kommen (die Eier) und wie die Hühner dort behandelt werden.

     

    Die europäische Landwirtschaftsindustrie (vor allem die deutsche) hat den Ackerbau in Polen und sonstwo (Portugal, z. B.) kaputt gemacht. Raubtierwirtschaft!

     

    Was ist das für ein Europa, das so etwas zuläßt?!

  • "Sabine Kattau (CDU) brachte als Berliner Staatssekretärin für Justiz und Verbraucherschutz war gekommen. Sie forderte „Gute Ware für gutes Geld.“"

     

    Ja, super Idee. Gerne würde ich mir höherwertige Lebensmittel kaufen, doch dafür reicht mein deutlich unterdurchschnittliches Gehalt leider beim besten Willen nicht aus, trotz Hochschulabschluss. Meine Wohnung hat von der Größe und Miete her Hartz-IV-Niveau, der Chef meint, mehr könne er nicht zahlen. Im öffentlichen Dienst stellt man Menschen meines Alters nicht mehr ein, da ich bereits jenseits der 38 bin. Und auch die freie Wirtschaft zieht jünger Leute vor, die noch formbarer sind und von denen weniger oder kein Widerspruch zu erwarten ist. Ach ja, aber für einen ziemlich aufgeblähten öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf ich bezahlen, ohne diesen zu nutzen. Kostet mich monatlich ebensoviel wie ich für Brot ausgebe. Streicht das und ich kann mir schon mal mein Brot im Bioladen holen.

    • @anteater:

      Mein Gott, Ihre "Wohnung Wohnung hat von der Größe und Miete her Hartz-IV-Niveau"... und deshalb können Sie sich keine vernünftigen Lebensmittel leisten?! Ich habe 10 Jahre lang mit 3 Kindern auf 70 m² gelebt, und natürlich mit entsprechend mageren Einkommen trotz Vollzeit-Job. Trotzdem hab ich wenigstens versucht, für eine halbwegs vernünftige Ernährung zu sorgen und mache mir Gedanken, wo die Nahrungsmittel herkommen. Es ist halt auch eine Sache der Prioritäten. Und meines Erachtens ein Grund mehr, sich für die Umgestaltung der Landwirtschaft einzusetzen. Gar nicht zu reden davon, dass es noch viele andere Gründe gibt, die nicht in unserem eigenen Wohlbefinden begründet sind.

      • @Ute Krakowski:

        Ja, ich versuche es auch, die halbwegs vernünftige Ernährung. Kinder möchte ich unter den Bedingungen, die ich ihnen bieten kann, allerdings nicht in die Welt setzen, da ich das von mir verantwortungslos fände.

         

        Zu zweit auf 47m" finde ich aber auch belastend, auch wenn Sie das schön oder entspannend finden mögen.

         

        So, und außer, dass Sie mich hier mit Ihrem "aber ich habe" mehr oder minder angreifen, haben Sie vielleicht doch etwas dazu zu sagen, dass "Gute Ware für gutes Geld" eben für viele Leute nicht so einfach zu erreichen ist? Oder ging es Ihnen nur darum, mir zu zeigen, wie bescheiden Sie zu leben vermögen und sich so über mich zu setzen?

        • @anteater:

          nee, es ging mir drum, dass ich in Ihrer Argumentation keinen Grund finde, warum Sie finanziell nicht in der Lage sein sollten, sich gut zu ernähren, ausser Sie wollen einfach nicht. (Oder Sie suchen eine Möglichkeit rumzujammern.)

          • @Ute Krakowski:

            Darüber könnten Sie bestenfalls eine Meinung haben, wenn Sie wüssten wie viel oder wenig Geld mir zur Verfügung steht. Auf jeden Fall reicht es nicht für gute Ernährung.

             

            Dennoch sein angemerkt, dass Sie komplett darin versagt haben, meinen Text richtig zu interpretieren. Die Kritik an Politik, Gesellschaft und Ungleichverteilung haben Sie nicht erkannt, sondern sich darauf eingeschossen, dass ich mich selbst als Beispiel gewählt habe, als stellvertretendes übrigens, da es sehr viele Menschen hierzulande gibt, die sich eben keine "Gute Ware für gutes Geld" leisten können, einfach weil ihnen das gute Geld fehlt.

    • @anteater:

      Ich wundere mich immer wieder. Man kann in Deutschland unendlich Geld sparen, wenn man nur mal "denkt". Ich kaufe Brot grundsätzlich vom Vortag. da bezahle ich ein Drittel bis die Hälfte des Normalpreises. Supermärkte bieten Lebensmittel, die kurz vor Ablauf des MHD stehen, billiger an. Yoghurt ist eh gesäuerte Milch, was soll da einen Tag nach MHD ungenießbar sein ? Nicht anders verhält es sich mit Käse. Ich koche sehr gern Eintöpfe. Da kann man kreativ sein, die Zutaten können Bioqualität sein, und man ernährt sich trotzdem nachhaltig, gesund und billig.

      Geht alles. Also - micht jammern - MACHEN !

      • @Rohloffbiker:

        Stimmt, ich denke grundsätzlich nie!

         

        Sie werden lachen, aber ich halte aufmerksam nach Lebensmitteln Ausschau, die nahe dem MHD sind, ganz ohne denken. Und, meinen Sie wirklich, dass man im Supermarkt "Gute Ware" bekommt, oder könnte es sein, dass das hauptsächlich Massenprodukte sind, deren Zutatenliste man sich besser nicht ansieht? Letzteres ist nämlich meine Erfahrung (ohne denken, laut dessen, was Sie implizieren).

         

        Dass es mir, implizit, vielleicht auch darum gehen könnte, dass nicht nur Bauern, die gute Ware produzieren, zu wenig vergütet werden, sondern die Einkommen generell ungünstig genug verteilt sind, dass eben der Abnehmerkreis für "Gute Ware" eben auch eingeschränkt ist, da sind Sie nicht drauf gekommen, trotz denken?

    • @anteater:

      Genau das ist der Punkt. Die konventionelle Landwirtschaft sozialisiert ihre Schäden...wir alle zahlen das! Und die, die sich um Wasser und Boden kümmern, die Biobauern, haben weniger Absatz weil zu teuer. Also: Steuern auf chem.Pestizide und synthetischen Dünger und damit Förderung der Biolandwirtschaft. So dass du auch gute Lebensmittel kaufen kannst!

      • @linus o'carson:

        Danke, wenigstens einer, der verstanden hat, worauf ich hinaus wollte!

         

        Ja, so sieht es aus. Mit Subventionen werden Großmastbetriebe etc. gefördert, die eben nicht nachhaltig sind, Böden, Wasser und Luft über die Maße belasten, der Biodiversität entgegenwirken und so weiter.

         

        Manchmal gönne ich mir ein Biobrot oder so etwas. Dabei bekommt man dann eben auch mit, was manche Menschen fähig sind zu bezahlen, also ein kleiner Einkaufskorb, schätzungsweise das, was ein Einzelner für eine Woche zum Leben benötigt, für € 80 und mehr. Es wäre schön, wenn man mehr Menschen ermöglichen würde, so gesund und reinen Gewissens zu leben (mal abgesehen vom SUV, mit dem solche Käufer dann gerne vorfahren).