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Weltwirtschaftsforum in DavosSchäuble fordert Marshallplan

Europa soll die Nachbarländer Syriens unterstützen, damit Fluchtwillige dortbleiben. Deutschland würde zahlen – wenn andere mitmachen.

Die Griechen haben genug bekommen, aber für Konfliktregionen würde der Finanzminister Geld lockermachen Foto: reuters

Davos taz | Für einen Marshallplan zugunsten von Staaten im Nahen Osten und in Afrika wirbt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos sagte er, die Europäische Union müsse schnell dort Milliarden Euro investieren, wo die Flüchtlinge herkommen. Es gehe darum, die „zerstörten Regionen“ wiederaufzubauen, um „den Wanderungsdruck“ nach Europa zu verringern.

Mit dem ursprünglichen Marshallplan unterstützten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland und andere Länder Westeuropas. „So etwas Ähnliches“ sei nun für den Nahen Osten, Nordafrika und auch Staaten südlich der Sahara nötig, sagte Schäuble.

Bisher hätten die Europäer gedacht, die Konfliktregionen seien weit weg. Nun werde klar, dass die Probleme dort dazu beitrügen, dass Millionen Menschen nach Europa auswanderten. „Was dort schiefgeht, landet nicht in den USA oder Australien“, sagte Schäuble. Mit ein paar Millionen Euro sei es da nicht getan. Deshalb setze er sich für eine „Koalition der Willigen“ ein – wer Geld geben könne zur Versorgung von Flüchtlingen in deren Region, der solle dies tun. Deutschland habe dafür derzeit mehr finanziellen Spielraum.

Im vergangenen Jahr hat der Bundeshaushalt mit einem Überschuss von 12 Milliarden Euro abgeschlossen. „Ich werbe in meinem Land dafür, dass wir alles, was wir an Spielraum haben, mit anderen Europäern zusammen in die Region investieren“, sagte der Minister. Viele andere Staaten in Europa sind allerdings nicht in der glücklichen Lage, finanzielle Überschüsse zu haben.

Ich werbe in meinem Land für Investitionen in die Region

Der Bundesfinanzminister

Beim WEF saß Schäuble zusammen mit den Regierungschefs von Griechenland, Alexis Tsipras, Frankreich, Manuel Valls, und den Niederlanden, Mark Rutte, in einer Podiumsdiskussion zur „Zukunft Europas“. Unter Zustimmung des Deutschen sagte Tsipras, es sei eine „Schande“, wenn Europa zur Festung werde und sich gegen die Flüchtlinge abriegele.

Er forderte, dass Europa die Lasten gemeinsam trage. Auch Griechenland müsse Teil der Lösung sein. Der Regierungschef wünschte sich mehr europäische und private Investitionen in seinem Land und plädierte für eine europäische „Wachstumsagenda“. In diesem Sinne brauche Griechenland „mehr Europa“, um seine Wirtschafts- und Verschuldungskrise zu überwinden.

Die Griechen haben nichts zu wollen

Ein Wachstumsprogramm lehnte Schäuble ab, er sprach sich aber „für Solidarität mit den Ländern“ aus, „die Außengrenzen haben“ und als Erste die Flüchtlinge aufnehmen. In der Wirtschaftskrise hätten Europa und Deutschland finanzielle Solidarität mit Griechenland bewiesen. Nun müssten die „Vereinbarungen“ zur Überwindung der Schuldenkrise aber „eingehalten werden. Wir müssen einfach umsetzen, was wir beschlossen haben.“

Der niederländische Premier Rutte sagte, dass Europa in den „nächsten sechs bis acht Wochen“ einen Weg finden müsse, um die Zuwanderung in den Griff zu bekommen und zu reduzieren. Er setzte sich außerdem dafür ein, den gemeinsamen Markt auf digitale Produkte und Dienstleistungen auszudehnen. Das sei eine Voraussetzung, um neues Wirtschaftswachstum zu generieren. Dasselbe forderte Großbritanniens Premierminister David Cameron in seiner Rede im großen Saal des Kongresszentrums von Davos.

Sein Land werde nur dann Mitglied der EU bleiben können, wenn die Einwanderung nach Großbritannien weiter erschwert werde und es seine politische Unabhängigkeit sowie die Währung Pfund behalte.

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10 Kommentare

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  • Die EU funktioniert beim Thema Flüchtlinge nicht. Warum sollte sie also einen Marschallplan für die Türkei, Jordanien, Libanon und den Irak bzw. Kurdistan finanzieren wollen? Auch Deutschland hat gewisse Vorbehalte gehabt, bestimmten Staaten effektiver zu helfen. Die Politik bzw. die echte Macht über die Entwicklung der Region liegt auch noch irgendwo zwischen Washington, Moskau, Damakus, Ankara, Teheran, Bagdad, Riad, Doha, Aman, Beirut, Peking oder Kuwait. Die dort diskutierten Konzepte bzw. Lösungen könnten so einen Plan regelrecht zerreiben. Insofern bin ich mir gar nicht sicher, ob Schäuble nur was nettes sagen wollte, damit seine Chefin Merkel nicht zu sehr unter Druck gerät und alle Welt denkt, wir hätten wenigstens selber einen Plan. Aber das ist ja nicht der Fall. Für die syrischen Familien brauchen wir Wohnungen und eine Erhöhung des Mindestlohns - nix davon ist geplant. Da würde ich mal ansetzen. Ansonsten können wir dicke Rückschläge hier einstecken, weil wir selber planlos sind.

  • Das, was Schäuble da vorschlägt, ist aber kein Marshallplan. Es ist überhaupt kein Plan, sondern blanker Aktionismus - dilettantisch und stümperhaft, wie man es von der Regierung Merkel seit jeher kennt.

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Schlagen Sie doch mal eine Alternative vor. Mich würde das ehrlich interessieren.

      Ich höre und lese immer nur (insbesondere in den Beiträgen in der taz), was falsch läuft - aber selten (tragbare + finanzierbare) Gegenvorschläge.

  • "...in Davos sagte er #Schäuble#, die Europäische Union müsse schnell dort Milliarden Euro investieren, wo die Flüchtlinge herkommen. Es gehe darum, die „zerstörten Regionen“ wiederaufzubauen, um „den Wanderungsdruck“ nach Europa zu verringern."

    Er weiß (...ist ja nicht blöd) : wenn das realisiert würde , würde es erst nach dem Ende der Kriege dort beginnen können und dann noch ca zehn Jahre brauchen . Also : bla bla + Gesundbeten + Lüge . Und es zudem auch noch Quatsch , denn makroökonomisch , in der Konkurrenz zur bereits "depressiven" Weltwirtschaft hätten die betreffenden Länder null Chance , aus dem Abgrund herauszukommen .

  • "Die Griechen haben genug bekommen (...).

     

    So, so, werter Herr Bundesfinanzminister, Ihr Vater war also nicht in Griechenland. Der meinige hat mir ein kleines Foto hinterlassen, darauf ein kleiner Hafen, eine umgestürzte Säule und kein Mensch. Die Rückseitenbeschriftung: "Kreta, 1943". Mehr nicht. Erzählt hat Vater nur, wie schön es dort war...

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Gion :

      Also wollen Sie die Schuldkarte spielen?

      Deutsche, die nach '45 geboren wurden, tragen keine Schuld, sondern Verantwortung. Wir tragen Verantwortung, weil wir als deutsche Schüler die deutsche Geschichte im Unterricht behandelt haben. Weil wir die widerlichen Verbrechen unserer Vorfahren rund um den 2. Weltkrieg kennen. Aus diesem Wissen erwächst die Verantwortung, Sorge zu tragen, dass diese Verbrechen nicht vergessen werden und dass sie sich nicht noch einmal wiederholen - das ist das Vermächtnis, welches jeder Deutscher zu tragen hat. Aber Schuld?

      Bezüglich den Reparationsforderungen: Nach meinem Kenntnisstand hat Griechenland den 2+4 Vertrag akzeptiert. Zumal Griechenland (und z.T. private Bürger) Zahlungen (insbesondere in Form von Materialien) erhalten hat. Man kann sich darüber streiten, ob diese hoch genug waren. Aber dann sag ich: Lasst uns Frankreich auf Reparationsforderungen verklagen, weil die Reparationszahlungen nach Napoleons Kriege nicht hoch genug waren. Aber wo soll das hinführen?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        pardon, mir ging es um eine unmittelbare Anfrage an Herrn Schäuble, Nachkriegskind wie ich, der wie viele andere meiner Generation schweigende Eltern erlebte. Um mehr ging es mir nicht.

         

        PS. als ich Herrn Gabriel im TV sah, wie er mit angewiderter Miene die Reparationsforderungen Griechenlands zurückwies, da trat ich nach gerade drei Monaten wieder aus der SPD aus.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @73176 (Profil gelöscht):

        Fortsetzung:

        Mich stört, wenn die Schuld nur bei anderen gesucht wir.

        Wie wäre es z.B. mal die anhaltende Vetternwirtschaft in Griechenland anzuprangern ... und zwar unter Tsipras!!!! Beispiele :

        - Der Cousin von Tsipras (Giorgos T.) arbeitet als Generalsekretär im Außenministerium (ehm. Partner von A. Tsipras im alten Ingenieursbüro)

        - E. Siskou (25 Jahre, Nichte der Vizebildungsministerin und ehem. KELLNERIN) arbeitet als BERATERIN für den Justizminster. (Der Bruder konnte leider nur eine Stelle als Verwaltungsbeamter ergattern)

        - Die berühmten Putzfrauen des Finanzministers wurden sofort wieder angestellt - z.T. wurden diese nun befördert: zu Verwaltungsangestellten im HÖHEREN Dienst.

        - Leider ist jeder Kommentar immer auf 200 Zeichen begrenzt. Die Liste ließe sich weiter fortführen. (Werfen Sie einfach einen Blick in den Staatsanzeiger. Halten Sie aber eine Lupe bereit ...)

        • @73176 (Profil gelöscht):

          "Wie wäre es z.B. mal die anhaltende Vetternwirtschaft in Griechenland anzuprangern ... und zwar unter Tsipras!!!!"

           

          Fangen wir doch vor der eigenen Haustür an. Wie geht´s eigentlich Herrn Höneß jetzt, da er vorzeitig freigelassen und dafür von Millionen von steuerzahlenden Fußballmichels bejubelt wird?

          • 7G
            73176 (Profil gelöscht)
            @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Worauf wollen Sie hinaus? Was hat Steuerhinterziehung mit Vetternwirtschaft zu tun?

            Das eine hat mit anderem doch überhaupt nichts zu tun!

             

            Wenn jemand Steuern hinterzieht, dann ärgert mich (als ehrlicher Steuerzahler) das. Aber ich weiß auch, dass Politiker/innen dies nur passiv (über z.B. Gesetze, härtere Kontrolle, etc.) beeinflussen können. Aber Vetternwirtschaft wird von Politikern direkt beeinflusst.