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Die WahrheitTierisch gleichberechtigt

Mit gezielten Maßnahmen will die Europäische Kommission endlich auch gegen patriarchalische Strukturen in der Tierwelt vorgehen.

Vorkämpferin für die Missionarsstellung: die Orang-Utan-Frauenrechtlerin Dinda Foto: dpa

Viele Tierweibchen dürften erleichtert aufjaulen, -gackern oder -schnattern. Ihre Rechte auf EU-Ebene werden substanziell gestärkt. Denn durch eine Richtlinie der Europäischen Kommission wird der Arbeitsbereich der GleichstellungsbeauftragtInnen jetzt auf das Tierreich ausgeweitet. Dafür werden allein in Deutschland Dutzende Planstellen geschaffen. Dieses Engagement ist auch bitter nötig, denn nach wie vor herrschen in der Fauna dieselben patriarchalen Strukturen, welche schon bei den Menschen für ungleiche Machtverhältnisse sorgen.

„Allein das Wort ‚Weibchen‚stellt doch eine unerträgliche Verniedlichung dar und zeigt, dass die Tierfrauen nicht wirklich ernstgenommen werden“, erregt sich Professorin Cordula Schäfer, Leiterin des Instituts für Animal Women’s Rights der Freien Universität Berlin. Dann leitet sie nahtlos über zu einem Beispiel aus dem Leben der Wölfe. „Warum gilt in unserer angeblich aufgeklärten Zeit noch das alte Rudelmodell mit einem – mal wieder männlichen – Leitwolf an der Spitze? Warum gibt es nicht viel mehr moderne Patchwork-Rudel? So mit einfühlsam gebastelten Salzteig-Schildern vor der Höhle: ‚Hier lieben, leben, streiten und heulen Nanuk, Taruk, Luna, Lupuline und Wolf-Dieter‘.“

Beschämende Praxis

Ganz zentral sei, dass die Frauen bei Rudel- und Herdentieren dieselben Aufstiegschancen hätten wie die Männchen. „Leider“, so Schäfer, „ist es noch immer üblich, dass Frauen für gleiche Jagdarbeit einen geringeren Beuteanteil erhalten.“ Tierfrauenrechtlerinnen weltweit plädieren deshalb entschieden für eine Quotenregelung und mehr Teilzeitstellen in Rudelführungspositionen. So mancher Gorilla könne, so Schäfer, nur Karriere machen und in der Gruppenhierarchie aufsteigen, weil ihm Damen den Silberrücken freihielten – bestärkt von der Herdenprämie, einem Lieblingsprojekt der Christlich-Sozialen Affenunion (CSA). Klare Quoten würden außerdem manch eindeutig beschämende Praxis beenden. Die Zeiten, in denen sich Paviandamen in der Rangordnung hochlausen, sind wohl bald endgültig vorbei.

Viele Hündinnen empfinden Doggy-Style mittlerweile als demütigend. Hunde sehen jetzt davon ab

Ohnehin hat sich beim Thema „animalischer Sex“ bereits ein Einstellungswandel vollzogen, wie das dänische Forschungsinstitut Hoddock aus Kopenhagen in einer Pressemitteilung schreibt. So gilt „Doggy-Style“ bei Hunden mittlerweile als deplatziert, da viele Hündinnen diese Art als demütigend empfinden. Üblich und erwünscht sind heutzutage eher die Missionarsstellung, „Sie oben“ oder die „Löffelchen-Kauknöchelchen-Stellung“. Darüber hinaus gibt es immer mehr Tierdamen, die selbst bestimmen möchten, wie sie ihre fruchtbaren Tage gestalten und sich mühsam die Duldungsstarre abtrainieren. Ein von der EU gesponsertes Projekt trägt den Namen „Meine Läufigkeit läuft ohne dich“, ein anderes aus dem Katzenbereich heißt „Roll dich doch selber, Kater!“.

Kein Dünn-Diktat für Dickhäuterinnen

Überhaupt ist entscheidend, dass sich Tierfrauen endlich von körperlichen Klischees freimachen. Besonders Elefantenkühe haben beispielsweise große Probleme, Schönheitsnormen zu entsprechen, die sich an Size-Zero-Gazellen orientieren. Jetzt beginnen immer mehr sogenannte „Dickhäuterinnen“ sich vom Dünnsein-Diktat freizumachen. „Als Flusspferdstute kann man auch in Größe 300 attraktiv sein“, wird eine rundliche Aktivistin aus einer Hoddock-Studie zitiert.

In Brüssel geht es den EU-GleichstellungsbeauftragtInnen jetzt um die Auflösung sämtlicher Geschlechterstereotype und um totale Gleichstellung. Darüber, wie das Gender-Mainstreaming umgesetzt werden soll, herrscht Dissens. Vertreterinnen einer fundamentalistischen Richtung beschäftigen sich mit Spinninnen, die ihre Männchen direkt nach der Begattung verspeisen und sehen darin ein Verhalten mit Modellcharakter. Moderate Vertreterinnen weisen auf den bestehenden Forschungsbedarf hin, wobei es noch methodische Probleme gibt wie bei den Animal Queer Studies. So ist Homosexualität bei zweigeschlechtlichen Tieren wie Landlungenschnecken nur schwer zu erforschen und die Untersuchungen gestalten sich außerordentlich langweilig.

Schlussendlich formulieren Frauentierrechtlerinnen und EU-GleichstellungsbeauftragtInnen alle die selbe Forderung: Geschlecht, und das muss jetzt auch die letzte Trottellumme begreifen, ist ein soziales Konstrukt.

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