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Nach Amnesty-Bericht über AbschiebungDeutschland stellt sich taub

Laut Amnesty schiebt die Türkei syrische und irakische Flüchtlinge ab. Die Bundesregierung will davon nichts wissen.

Syrische Flüchtlinge warten auf einem Schiff der türkischen Küstenwache. Foto: dpa

Berlin taz | Schiebt die Türkei syrische Flüchtlinge zurück ins Kriegsgebiet? Das sagt Amnesty International. Die Grünen alarmiert der Vorwurf. Die Bundesregierung mache sich womöglich zur „Komplizin schwerwiegender Verletzungen des Völkerrechts“, warnt deren Innenexperte Volker Beck. „Blindes Vertrauen in die türkische Regierung ist fehl am Platz, wenn solche Vorwürfe im Raum stehen.“

Mitte Dezember hatte die Menschenrechtsorganisation einen Bericht veröffentlicht, in dem es heißt, Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak würden in der Türkei misshandelt, unter fragwürdigen Umständen inhaftiert und unter Zwang nach Syrien oder in den Irak zurückgeschickt. Solch ein Vorgehen widerspricht klar der Genfer Flüchtlingskonvention, in der das Prinzip der Nichtzurückweisung verankert ist.

Doch die Europäischen Union hat die Türkei zu ihrem Partner erklärt, der dabei helfen soll, das Flüchtlingsproblem zu lösen. Sie will der Türkei 3 Milliarden Euro zahlen, damit diese die über 2 Millionen Flüchtlinge im Land besser versorgt.

Volker Beck nahm die Amnesty-Vorwürfe zum Anlass, eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung zu richten. Doch die gibt sich ahnungslos und vertrauensselig. Sie erklärte nun: „Der genannte Bericht von Amnesty International ist der Bundesregierung bekannt.“ Die meisten Angaben könnten aber „nicht aus eigenen Kenntnissen bestätigt werden“. Die Bundesregierung gehe deshalb „davon aus, dass die türkische Regierung weiterhin zu ihrer Zusicherung steht, wonach keine syrischen Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben werden“.

„Naives Vertrauen“

Beck gibt sich damit nicht zufrieden. „Aus welcher Quelle die Bundesregierung ihr naives Vertrauen gegenüber Erdoğan speist, ist nach dessen Äußerungen Anfang des Jahres umso verwunderlicher“, sagte er der taz. Erdoğan hatte mit einem Hitler-Vergleich für Aufsehen gesorgt.

Beck meint: „Die Bundesregierung kennt den Bericht von Amnesty International über die Misshandlung und völkerrechtswidrige Abschiebung von syrischen Flüchtlingen durch türkische Behörden.“ Sie gehe aber offenbar davon aus, dass dieser nicht stimme. Warum der Amnesty-Bericht aber nicht zutreffen soll, so Beck, erschließe sich aus der Antwort der Bundesregierung nicht.

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12 Kommentare

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  • Die Türken haben es verstanden. Das Wohlstandsgefälle Nord-Süd ist so groß und der Wohlstand in Europa so verlockend süß, dass es sich nicht mit offenen Grenzen verträgt. Und um diese glaubwürdig umzusetzen muss halt abgeschoben werden.







    Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Operation "Gaddhafi" heißt eben jetzt Plan "Erdoghan". Was absehbar war, wir bezahlen die Türkei für die 'Drecksarbeit' der 'Entsorgung' bei uns unerwünschter Flüchtlinge. Dafür zahlt die EU der türkischen Regierung 3 Mrd. Euro. Genauso machte es einst Italiens Regierungschef Berlusconi mit dem Libyschen Diktator Gaddhafi. Nur der Preis war damals deutlich billiger.

  • Entweder die Stabilisierung der Diktaturen, wie es im Sinne der Regierungen ist, oder der Sturz der Despotien und die freie Bewegung und Selbstbestimmung des Lebens.

  • Deutschland ist jetzt auch für die Verbrechen anderer Länder zuständig und verantwortlich?

    Unglaublich was Deutschland für Verbrechen macht!

  • Auch die TR ist ein eigenständiger Staat, oder hab ich da was verpasst?

    • @KarlM:

      Was hat die Tatsache, dass die TR ein eigenständiger Staat ist damit zu tun, das dem Despoten Erdogan eben mal so 3 Milliarden in den Allerwertesten geblasen werden?

  • Hauptsache die Waffenexporte florieren... Die Türkei und die Saudi-Arabien als gute Kunden setzen grad die Welt in Flammen und wir verdienen prächtig dran.... Alles gut, alles fein.... warum sollte man was ändern...?

    Europa ist gar nicht dran interessiert, die Fluchtursachen zu beseitigen, es reicht ihnen, wenn ertrunkene und im Stacheldraht erfrorene Kinder abschrecken....

    • @robby:

      Unfug, die TR nimmt im Natorahemn aus D. hauptsächlich Resterampekram.

       

      Außer im Marinebereich. Ansonsten kaufen die durchaus woanders.

       

      Zudem ist auch die TR ein souveräner Staat, wollen "wir" dem ernsthaft seine Politik vorschreiben? Das war früher mal kulturimperialistisch?

      • @KarlM:

        Ne, aber die Milliarden hätte man internationalen Organisationen wie der UNHCR geben können, die die Flüchtlinge versorgen und nicht einem machthungrigen Despoten. PS. Auch das Dritte Reich war ein 'souveräner Staat'....

        • @Philippe Ressing:

          Mit der UN haben Sie Recht, war es nicht die EU die dazu auch Gelder bewußt zurückgehalten hatte?

           

          Der Staatsbezug sollte nur darauf hinweisen das die BRD da dann eine Einmischung innere Angelegenheiten betriebe, ist das auf einmal ok?

          • @KarlM:

            Ach so, Menschenrechtsverletzungen haben also keinen und in keinem Fall zu kümmern??

        • @Philippe Ressing:

          Genau, so ist es! Und ich frage mich im Übrigen, ob irgendjemand kontrolliert, für welche Zwecke Erdogan die Milliarden verwendet. Wieder einmal ein Beispiel dafür, wie despote Politiker von angeblich so an der Demokratie interessierten Staatenlenkern unterstützt werden. Und wer zahlt am Ende die Rechnung?