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Kampf um die Macht im Staat

Mexiko Gisela Mota war ganze 24 Stunden Bürgermeisterin, bevor sie erschossen wurde. Jetzt übernimmt im Bundesstaat Morelos der Gouverneur die Kontrolle über die Polizei

Freunde und Angehörige bei der Totenwache für die ermordete Gisela Mota Foto: dpa

von Wolf-Dieter Vogel

BERLIN taz | Die Ermordung einer gerade ins Amt gewählten Bürgermeisterin hat in Mexiko die Debatte über die Sicherheitsstrategien des Landes angeheizt. Der Gouverneur des Bundesstaates Morelos, Graco Ramírez, verfügte am Sonntag, dass bundesstaatliche Einheiten in 15 Städten die Kontrolle über die lokale Polizei übernehmen. Dazu zählen auch die Landeshauptstadt Cuernavaca sowie deren Vorort Temixco, in dem die Bürgermeisterin Gisela Mota Ocampo ermordet wurde.

Mota war keine 24 Stunden im Amt, als sie am Samstag in ihrem Haus den Kugeln ihrer Mörder zum Opfer fiel. Bei einer anschließenden Verfolgungsjagd töteten Polizisten zwei der mutmaßlichen Täter, drei Verdächtige wurden festgenommen.

Die gelernte Juristin saß zuvor als Abgeordnete der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) im Bundesparlament und stand einst dem linken Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel Lopez Obrador nahe. Sie habe zwar auch auf föderaler Ebene agiert, aber nie ihre Gemeinde vergessen, erklärte ihre Partei. Bei ihrem Amtsantritt habe die 33-Jährige klargestellt, dass sie der organisierten Kriminalität den Kampf ansagen werde. Gleich nach dem Attentat ordnete Gouverneur Graco (PRD) die Tat einem Verbrecherkartell zu.

Morelos zählt zu den besonders gefährlichen Bundesstaaten Mexikos. Vor allem Entführungen und Erpressungen haben dort extrem zugenommen. Cuernavaca, wegen des angenehmen Klimas „Stadt des ewigen Frühlings“ genannt, war einst ein Rückzugspunkt der Mafiabosse. Deshalb eskalierte die Gewalt in der nur 80 Kilometer von Mexiko-Stadt entfernt gelegenen Metropole weniger als anderswo. Doch seit Sicherheitskräfte das dort dominierende Beltrán-Leyva-Kartell aufrollten, kämpfen mehrere kriminelle Organisationen um die Vormacht.

Der Mord ist eine klare Drohung an alle Bürgermeister

Beobachter gehen davon aus, dass Gisela Mota im Auftrag der Bande „Los Rojos“ ermordet wurde. In Morelos und dem angrenzenden Bundesstaat Guerrero kämpfen die „Rojos“ gegen die „Guerreros Unidos“ um die Kontrolle der illegalen Geschäfte: Schutzgelderpressungen, Drogenrouten, Entführungen. Bereits im Dezember 2014 entführten die „Guerreros Unidos“ einen Bürgermeisterkandidaten von Temixco. Diese Organisation ist auch für die Entführung von 43 Studenten im September 2014 in der Stadt Iguala verantwortlich.

Nach den Angriffen auf die Studenten in Iguala förderte Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto das Konzept „mando único“ – „alleinige Befehlsgewalt“: Da lokale Polizisten oft auf der Gehaltsliste der Mafia stehen, sollten bundesstaatliche Einheiten in Kooperation mit der Bundesregierung die Sicherheit gewährleisten. Das Vorhaben blieb jedoch umstritten. In Morelos weigerte sich der Bürgermeister von Cuernavaca, die Strategie umzusetzen.

Mit der Entscheidung, die Kontrolle in 15 Städten zu übernehmen, setzte sich Gouverneur Graco jetzt im Sinne des „mando único“ durch. 300 bundesstaatliche sowie ebenso viele föderale Polizisten wurden jetzt mobilisiert. Auch Gisela Mota habe sich für diese Strategie eingesetzt. Das Attentat sei deshalb eine klare Drohung an Bürgermeister, diese Maßnahme nicht zu übernehmen, erklärte der Gouverneur. Dem dürfe man nicht nachgeben.

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