Daniel Bax über die Forderung nach einer Flüchtlings-Obergrenze: Seehofers Nebelkerzen
Die CSU plustert sich auf. Wenige Tage vor ihrer rituellen Jahresklausur im Wildbad Kreuth haut sie einen Vorschlag nach dem anderen raus, der eine populistischer als der andere. Mit diesem Getöse will sie am rechten Rand Boden gutmachen und die AfD kleinhalten, die in Umfragen zuletzt bei bis zu 10 Prozent lag.
Jetzt hat CSU-Chef Horst Seehofer seine alte Forderung nach einer „Obergrenze“ für die Aufnahme von Flüchtlingen erneuert und erstmals eine konkrete Zahl genannt, bei der seiner Meinung nach Schluss sein soll mit christlicher Barmherzigkeit. Maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr könne Deutschland aufnehmen, alles andere sei „zu viel“. Doch so konkret die Zahl klingt, so schwammig bleibt, wie Seehofer seine ominöse Obergrenze umsetzen will. Mit Grenzkontrollen, Mauern und Schießbefehl an der Grenze, sobald sich der erste Flüchtling nähert, der über dem Limit liegt?
Die Unschärfe seiner Forderung ist politischem Kalkül geschuldet. Es ist schließlich keine drei Wochen her, dass Seehofer beim CDU-Parteitag den Streit über Obergrenzen, Kontingente oder die Begrenzung der Flüchtlingszahl zu einem reinen Streit um Worte erklärt hat, der nur Sprachwissenschaftler interessiere. Doch ein europäisches Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, wie es CDU und SPD auf ihren Parteitagen gerade erst beschlossen haben, wäre eine zusätzliche Verpflichtung – und ist etwas ganz anderes als ein Aufnahmelimit, wie es Seehofer vorschwebt.
Diesen Unterschied möchte Seehofer gerne verwischen, daher die Vernebelungstaktik. Denn es könnte gut sein, dass Seehofer im Laufe des Jahres einem zusätzlichen Kontingent von 200.000 Flüchtlingen zustimmen muss, das seine Koalitionspartner aufzunehmen bereit wären – egal, wie viele Flüchtlinge weiter auf dem Landweg dazukommen. Beide Seiten könnten dann aber behaupten, sich durchgesetzt zu haben. So geht Politik in dieser Großen Koalition.
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