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Der ideenlose Kicker

NACHRUF I Mit Michel Platini verliert der Fußball den Glauben, dass ehemalige Stars gute Funktionäre sein müssen

Irgendwie ratlos: Michel Platini Foto: dpa

von Andreas Rüttenauer

Die erste Trauerbekundung war von Trotz geprägt. Kurz nachdem die Ethikkommission des Internationalen Fußballverbands die Funktionärskar­riere von Michel Platini beendet hatte, indem sie ihn für acht Jahre aus dem Verkehr gezogen hat, wurde aus dem Uefa-Hauptquartier in Nyon eine Mitteilung versendet, in der es heißt: „Die Uefa ist tief enttäuscht.“

Platini hinterlässt einen ratlosen europäischen Verband. Bemerkenswerte Dinge sind geschehen nach seiner Wahl zum Präsidenten der Uefa im Jahr 2007. Die soll er vor allem den von den Verbänden aus Polen und der Ukrainer zusammengetrommelten Stimmen aus Osteuropa zu verdanken gehabt haben. Dass die beiden Länder bald darauf zum EM-Ausrichter 2012 bestimmt worden sind, hat schnell den Verdacht gehegt, in der Uefa herrsche ein ähnliches System von Geben und Nehmen wie im Weltverband Fifa.

Die Idee, das EM-Turnier auf 24 Teilnehmer aufzustocken, hat dazu geführt, dass sich für das Jahr 2020 kein Ausrichter gefunden hat, der ein derart großes Turnier hätte stemmen können. Jetzt gibt es ein europaweit ausgetragenes Turnier und noch mehr Verbände, die vielleicht etwas gegeben haben dafür, dass sie sich EM-Gastgeber nennen dürfen. Da geht es nicht in erster Linie um Schecks, Gefälligkeiten oder Kuckucksuhren. Hier geht es um die Unterstützung Platinis im Kampf um die Präsidentschaft der Fifa.

Ziemlich alt sieht der Verband nun aus, nachdem er sich lange hinter seinen Präsidenten gescharrt hat, obwohl längst klar war, dass der eine nicht hinreichend erklärbare von Sepp Blatter autorisierte Geldzahlung von der Fifa erhalten hat. Erst als sich abzeichnete, dass der Deal nicht einfach so durchgehen würde, haben sich erste Verbände von Platini distanziert.

Dass das frühe Ende von Platinis Funktionärskarriere für viele in der Uefa eine schlechte Nachricht ist, das ist die eigentlich traurige Geschichte

Niemand im Verband hat sich darüber gewundert, wie es sein konnte, dass der heute 60-jährige Franzose, der sich immer dafür ausgesprochen hatte, die WM 2022 in die USA zu vergeben, plötzlich zum größten Freund der katarischen WM-Bewerber wurde. Keiner hat lautstark nachgefragt, wie sein Sohn zu einem gut bezahlten Job im katarischen Sportmanagement gekommen ist und was besprochen worden ist, als der seinerzeitige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die katarische Staatsspitze und Michel Platini im Élysée-Palast empfangen hat. Es war den Funktionären in Europa letztlich egal, was da mit dem Fußball passiert ist.

Eine große Idee vom Fußball hatte Platini nicht. Eine reformerische Alternative zu Blatter, den er im Februar an der Fifa-Spitze beerben wollte, war Platini gewiss nicht. Aber auch das hat die Uefa-Mitglieder nie gestört. Sie haben sich dem Franzosen regelrecht ausgeliefert. Umso ratloser stehen sie nun da. Ihnen bleibt nun noch, sich an alten Aufnahmen zu ergötzen, die Platini in seiner Genialität als Kicker zeigen.

Mit Michel Platini verliert der internationale Fußball den von Sepp Blatter Zeit seines Lebens gepredigten Glauben daran, dass vor allem ehemalige Superstars geeignet sind, dem Fußball als Funktionär zu dienen. Am 21. Dezember 2015 ist die Funk­tio­närskarriere von Michel Platini beerdigt worden. Dass das für viele in der Uefa eine schlechte Nachricht ist, das ist die eigentlich traurige Geschichte an diesem Tag.

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