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"Nein sagen fällt schwer"

Ehrenamt Seelsorgerin Christina Kayales fordert hauptamtliche Helfer und Regenerationszeiten

Christina Kayales

Foto: privat

51, ist Krankenhaus-Seelsorgerin und bietet entsprechende Fortbildungen für Muslime an.

taz: Frau Kayales, der Senat lädt heute erstmals zum Forum für Flüchtlingshelfer. Sind Sie auch ehrenamtlich tätig?

Christina Kayales: Ja, ich arbeite im Bereich der Flüchtlingshilfe.

Wieso brauchen Ehrenamtliche Selbstvorsorge?

Ehrenamtliche sehen sich in der Rolle, dass sie sich gerne einsetzen und helfen –oft in Situationen, wo der Bedarf groß ist. Dann fällt es schwer Nein zu sagen und Grenzen zu setzen. Aber wir brauchen auch Zeiten der Regeneration, wo wir wieder Kraft tanken. Wenn ich nicht tanke, kann ich nicht weitermachen. Das ist beim Ehrenamt in keiner Weise so klar geregelt, wie bei Arbeitszeiten.

Wann wird helfen schädlich?

Wenn die Balance gestört ist, dass man genügend Zeit findet, um das Erlebte zu bewältigen. Das ist bei verschiedenen Tätigkeiten unterschiedlich: Wenn ich eine Stunde Flugblätter verteile, muss ich mich sicher weniger regenerieren, als wenn ich mir eine Stunde angehört habe, was für Furchtbarkeiten jemand auf der Flucht erlebt hat.

Verlässt sich der Hamburger Senat bei den Flüchtlingen zu sehr auf ehrenamtliche Helfer?

Ich mag in dieses fordernde Rohr nicht reinsprechen. Jeder Mensch sollte selber entscheiden, wie viel er hilft. Im Moment merken wir, dass es unserer Gesellschaft wahnsinnig gut tut, dass Menschen sich einbringen. Wir müssen jetzt gemeinsam herausfinden, welche Integrationsanmaßnahmen nützlich sind, welche angenommen werden und welche überflüssig sind. Natürlich müssen wir die Stadt in die Pflicht nehmen, dass Ehrenamtliche vergütet werden, die langfristig die Aufgabe von Hauptämtern übernehmen.

Brauchen wir mehr Hauptämter?

Es ist fraglos, dass noch mehr Hauptämter geschaffen werden müssen, um die verschiedenen Herausforderungen des Flüchtlingszustroms, auch hauptamtlich, zu bewältigen. Aber man kann keine ausgebildeteten Stellen aus dem nichts herbeizaubern.

Was soll man machen, wenn man weiß, dass sonst niemand hilft?

Ich glaube, da macht es Sinn, eine Zeit lang generös zu sein, solange ich merke, dass es meine Kräfte noch zulassen. Es macht aber keinen Sinn mehr, wenn ich leide, wenn ich in ein Burn-Out komme oder meine Familie dabei zu Bruch geht. Dieses Problem trifft zur Zeit nicht nur Ehrenamtliche, sondern auch Hauptamtliche.

Interview: Morten Luchtmann

„Forum Flüchtlingshilfe“: ab 14 Uhr, Fischauktionshalle