piwik no script img

Ausweitung des AbgasskandalsAufklärung statt Drohungen

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Kaum zu glauben. Monatelang haben die Automobilkonzerne wegen ihrer Abgaswerte gemauert. Jetzt weisen sie jede Schuld von sich.

Bald voll öko? Nach den neuesten Anschuldigen sollten deutsche Autofahrer lieber mal die Karre stehen lassen. Foto: reuters

D as ist schon dreist. Seit Monaten weisen Medien und Verbände darauf hin, dass es auch bei anderen Herstellern als Volkswagen auffällig hohe Abgaswerte gibt, sofern sie außerhalb der exakt definierten und daher leicht erkennbaren Testbedingungen gemessen werden. Nun haben die Deutsche Umwelthilfe und das ZDF weitere eigene Messwerte erhoben, in denen Mercedes und BMW extrem schlecht aussehen.

Doch statt die Aufklärung intensiv zu unterstützen, mauern die Konzerne – und drohen ihren Kritikern. Selbst legen BMW und Daimler hilflos erscheinende Erklärungen vor, die Experten für wenig überzeugend halten. Doch die naheliegende Vermutung, dass sie ebenso wie VW zu illegalen Mitteln gegriffen haben, weisen sie nachdrücklich zurück – und wollen durch ihren Anwälte sogar verhindern lassen, dass dieser Verdacht auch nur geäußert wird. Auch Prüflabore und Wissenschaftler spüren offenbar Druck aus der Industrie; in Deutschland findet sich derzeit niemand, der entsprechende Abgastests durchführen will.

Doch dieser Weg von Druck und Einschüchterung wird nicht funktionieren. Es ist nicht erwiesen, dass auch die Konkurrenz von VW ihre Abgaswerte manipuliert, doch es gibt klare Indizien dafür und ein ebenso klares Dementi der Konzerne. Dieser Widerspruch lässt sich nicht durch Drohungen von Anwälten aus der Welt schaffen, sondern nur durch völlige Offenheit und nachvollziehbare Erklärungen.

Doch davon ist leider wenig zu spüren. Auch im Fall VW, bei dem das illegale Vorgehen erwiesen ist, wird die Öffentlichkeit nur spärlich informiert. Bei den meisten Fahrzeugen soll ein kleines Plastikgitter das Problem lösen; die Wirksamkeit wird von Experten bezweifelt, doch genaue technische Informationen gibt es weder vom Unternehmen noch vom zuständigen Kraftfahrtbundesamt.

Deutschland braucht Strukturen, die unabhängige Messungen ermöglichen

Diese Behörde, die traditionell eng mit den Autokonzernen zusammenarbeitet und sich bei den Zulassungen bisher stets auf deren Angaben verlassen hat, beweist immer mehr, dass sie mit der Aufklärung und Aufarbeitung des Abgasskandals überfordert ist. Neben einer neuen Kultur der Offenheit in den Unternehmen braucht Deutschland darum dringend eine neue Aufsichtsstruktur, die – wie in den USA – eigene und unabhängige Messungen durchführt und deren Ergebnisse auch veröffentlicht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Neben einer neuen Kultur der Offenheit in den Unternehmen braucht Deutschland darum dringend eine neue Aufsichtsstruktur, die – wie in den USA – eigene und unabhängige Messungen durchführt und deren Ergebnisse auch veröffentlicht."

     

    Ersteres ist ohnehin utopisch, Letzteres ist wirkungslos, solange keine Konsequenzen drohen.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      ja,gut Idee. Nur: wer kontrolliert die Kontrolleure Diese Frage müßte auch beantwortet werden.

      Hans-Ulrich Grefe

      • @Grefe Hans-Ulrich:

        Kurzum: Die Debatte ist für´n A...h. Weil ändern tut sich sowieso nix.

  • Als der VW-Schwindel aufflog, hätte ich meinen A.... drauf verwetten können, dass es die anderen Autohersteller auch betrifft. Denen ist sicher schon lang bekannt, was sich bei VW abspielte. Und wären die reinen Gewissens, hätten diese schon vorher etwas gegen die Konkurrenz in die Wege geleitet. Jetzt ist der Staat am Zug, und lassen Sie mich raten: Die Grenzwerte werden angehoben.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Dobrindt in einem heimlich mitgeschnittenen Selbstgespräch.

    An manchen Tagen denke ich wirklich, daß ich spinne. Ich habe meinen Job angetreten, weil ich die Ausländermaut einführen sollte und wollte. Und jetzt bekomme ich von allen Seiten ganz neue und riesengroße Probleme genannt, die mit der Ausländermaut überhaupt nichts zu tun haben. Ich bin Verkehrsminister und will mich mit der Autoindustrie nicht anlegen. Ministerium und Autoindustrie sind ja ein Bündnis. Damit soll der Gabriel sich beschäftigen und unbeliebt machen. Für die Ausländermaut stehe ich gerne weiter zur Verfügung.

  • Ja, wie sieht es denn allgemein mit Zulassungen aus ? Wenn man ließt, daß die Zulassungsstellen gar nicht das Geld haben um unabhängig Meßwerte oder Meßreihen/ Langzeitstutien durch zuführen, die zu einer Zulassung führen.

    Wie sieht es im Pharmabereich und in der Landwirtschaft aus. Wenn man einen Bericht hört, worin dargestellt wird, daß Zulassungsbedingungen nach 10 Jahren nicht nach vollzogen werden können. Aussage: man konnte die Tests nicht nach vollziehen; man kann nicht die Testergebnisse beurteilen, die zur Zulassung geführt haben.- Das am Rande so mal.-

    Die Verflechtung ist doch in allen Bereichen präsent. Man weiß es seit Jahren!!! Da stecken Interessen hinter und es wird sich nichts ändern. Wie auch in dem anderen Artikel geschrieben: Die Bananenrepublick läßt grüßen. Frage: wer ist hier denn die OBERBANANE?

    Hans-Ulrich Grefe

  • Der Fisch stinkt vom Kopf her. Die deutsche Umwelthilfe hat 10 Jahre lang dem Bundesverkehrsminsterium Hinweise gegeben daß Werte nicht stimmen. In vielen Autotests wurde - gerade auch hinsichtlich Daimler, inkl. Smart - darauf hingewiesen daß die Verbrauchswerte nicht nachvollzogen werden können. Die Bundesverkehrsminister (u.a. Ramsauer, CSU) haben nichts unternommen, das KfZ-Bundesamt nicht angewiesen Tests durchzuführen. Die Coiffierung des Haares war wichtiger. Es wäre ein leichtes gewesen eine technische Versuchsanstalt mit einheitlichen Tests zu beauftragen. Aber nein! Das ist erfolgreiche Lobbyarbeit! Das ist die Bananenrepublik, ausstaffiert mit höchst respektablen Volkspolitikern und -Politiker/Innen! Wir schaffen das!!

    • @Ulrich Frank:

      Ja, Sie haben völlig recht. So sehe ich das auch: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Es gibt Tage, an den ich beim Lesen der Nachrichten über die Verhältnisse in diesem Land gar nicht so viel kotzen kann wie ich kotzen möchte. Besonders, wenn es mal wieder um die ekelerregende, gesundheitsgefährdende und unsere Demokratie bedrohende Durchseuchung unserer politischen Parteien durch die von der Industrie bezahlten Lobbyisten geht.