: „Das Ergebnis gilt“
Direkte Demokratie Der grüne Fraktionschef Anjes Tjarks findet Referenden trotz der Niederlage von Senat und Bürgerschaft bei der Olympia-Abstimmung weiter gut
34, Lehrer, war von 2008 bis 2011 stellvertretender Landesvorsitzender der Hamburger Grünen. Seit 2015 ist er Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft.
taz: Herr Tjarks, finden Sie Referenden immer noch toll?
Anjes Tjarks: Ich war immer ein Befürworter dieses Instruments und finde es immer noch gut.
Trotz der Klatsche bei der Olympia-Abstimmung?
Klatsche würde ich das nicht nennen, auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Die Bürgerschaft hat mit der großen Mehrheit von SPD, CDU und uns Grünen beschlossen, Fragen von „gesamtstädtischer Bedeutung“ den BürgerInnen zur Entscheidung vorzulegen. Sie haben entschieden, das Ergebnis gilt, deshalb war das Referendum sinnvoll und richtig.
Befürchten Sie, dass Großprojekte künftig nicht mehr umsetzbar sind, weil die BürgerInnen Kosten und Risiken scheuen und deshalb dagegen stimmen?
Nein.
Der Verein „Mehr Demokratie“ sieht in Referenden den Versuch der Politik, Abstimmungen zu manipulieren und Volksbegehren von unten auszuhebeln. Ist diese Niederlage der Beweis, dass das nicht stimmt?
Offensichtlich. Dieses Nein haben Senat und Bürgerschaft gewiss nicht „herbeimanipuliert“. Zudem gibt es so hohe Hürden in dem Verfahren, dass eine Aushebelung faktisch nicht möglich ist. Und die HamburgerInnen haben bewiesen, dass sie ihren eigenen Kopf haben und nicht unbedingt so abstimmen, wie „die da oben“ das gern hätten. Das ist auch gut so in einer Demokratie.
Die Bürgerschaft muss sich bis Ende Januar mit der Volksinitiative „Rettet den Volksentscheid“ befassen, die Referenden wieder abschaffen will. Sehen Sie da irgendwelche Kompromissmöglichkeiten?
Wir wollen das Instrument Referendum, das jetzt erstmals angewendet wurde, evaluieren. Dazu werden wir sicherlich auch mit der Initiative sprechen. Inwieweit die Bürgerschaft und „Mehr Demokratie“ dann einen gemeinsamen Weg finden, müssen wir sehen.
Wenn nicht, wird „Mehr Demokratie“ im nächsten Sommer ein Volksbegehren zur Abschaffung von Referenden starten.
Das ist ihr gutes Recht. Aber zunächst suchen wir den Konsens.
Gibt es in der grünen Partei grundsätzlichen Diskussionsbedarf?
Ich glaube nicht. Wir haben in einem Programmprozess vor etwa drei Jahren uns für Referenden ausgesprochen. Insofern ist es ein grüner Erfolg, dass dieses Instrument in die Verfassung aufgenommen wurde. Die Grundaussage ist, es gibt eine Möglichkeit mehr, das Volk entscheiden zu lassen. Deshalb ist ein Referendum mehr Demokratie, nicht weniger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in der grünen Partei das infrage stellen wollen. Interview: Marco Carini und Sven-Michael Veit
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