Sportplatz: Neuer Stolz auf die alte Dame
BUNDESLIGA Hertha setzt den Höhenflug mit einem 4:0-Sieg in Darmstadt fort und will an alte Erfolge anknüpfen
Pál Dárdai war stolz, wieder einmal. Er benutzte Worte wie „vorbildlich“ und „Top-Leistung“ und „sehr schön“, um den 4:0-Auswärtssieg der Herthaner gegen Darmstadt am Samstag zu beschreiben. Worte, die man als Trainer eben benutzt, wenn man seiner Mannschaft was Nettes sagen will.
Bei Dárdai aber klingen selbst Floskeln selten nach Floskeln: Er sagt sie mit Stolz und ruhigem Understatement, und mit einer Begeisterung, die sie in den letzten Jahren hier vermisst haben. Hertha ist wieder wer. Die alte Dame, die sich über die Jahre in eine ziemlich graue Maus und ein potenzielles Hobby für Masochisten verwandelt hatte, holt sich langsam ihre Würde wieder. Und ist entgegen aller Erwartungen, vermutlich inklusive der eigenen, plötzlich ein ernsthafter Kandidat fürs internationale Geschäft geworden.
Das mit dem Stolz war vor dieser Saison eine schwierige Sache. Zwei Abstiege aus der Bundesliga, dazu ein Beinahe-Abstieg in der vergangenen Spielzeit und viel trostloser Ergebnisfußball hatten das ohnehin ausbaufähige Image des Klubs ordentlich ramponiert. Auch, als der Verein einen fulminanten Saisonstart hinlegte und bis auf Platz vier kletterte, wollte man bundesweit kaum mehr als ein zwischenzeitliches Hoch darin sehen. Der 2:1-Sieg in der vergangenen Woche gegen Leverkusen änderte vieles. Die Anhänger sangen vom Europapokal und die Medien vom Überraschungsteam der Saison. Und Dárdai redete von der Partie gegen Darmstadt. Vom internationalen Geschäft wollte er nichts hören.
Dárdai dürfte sich nun ruhiger fühlen, denn das Duell am Böllenfalltor fiel entspannter aus, als vom Trainer prophezeit. Darmstadt verließ sich wieder auf die Stärken Kampf und Defensive, zog sich dabei allerdings viel zu weit zurück. Das eröffnete den Herthanern jede Menge Raum. Aus der ersten Chance machte Ibiševićin der 11. Minute das erste Tor. Wieder einmal trat Hertha pragmatisch auf: Kaum Torchancen, kein rauschender Offensivfußball, dafür aber clevere Taktik und bemerkenswerte Effizienz. Die zweite Chance in der 25. Minute, einen Freistoß, verwandelte Marvin Plattenhardt unhaltbar zum 2:0. Insgesamt wird Hertha aus sieben Torschüssen vier Tore machen.
Nicht unbedingt ansehnlich
Es war über weite Strecken kein ansehnliches Spiel. Darmstadt gelang es nur in der Viertelstunde vor der Pause, mit Freistößen etwas Druck zu machen. Exherthaner Sandro Wagner erzielte in der 29. Minute einen zu Recht aberkannten Anschlusstreffer für die Darmstädter, abgesehen davon hatten die Berliner alles im Griff. Als in der 51. Minute das 3:0 durch Ibiševićfiel, war die Sache erledigt. Hertha musste nicht mehr, Darmstadt konnte nicht mehr. Eine Viertelstunde vor Schluss erhöhte Kalou locker auf 4:0, ein Ergebnis, das spektakulärer klang, als die Partie war. Und doch ein Resultat von großer Bedeutung.
Nicht nur, weil die Berliner nun bis auf Platz 3 der Tabelle vorgerückt sind. Sondern auch, weil sie so viele Punkte gesammelt haben wie zuletzt vor sieben Jahren – damals, als es in den Uefa-Cup ging. Wieder ein kleiner Booster für das Ego, auch wenn man bei Hertha noch nicht vom internationalen Wettbewerb reden mag. Zumindest vorsichtiger Optimismus aber ist erlaubt bei den Blau-Weißen. „Ich hatte nie das Gefühl, dass irgendwas schiefgehen könnte“, sagte Dárdai über das Spiel. Er habe Vertrauen in die Mannschaft. Stolz und Vertrauen: zwei Worte, die sie gut gebrauchen können bei der alten Dame. Alina Schwermer
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