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Bitte bedient euch!

Mahlzeit 22 öffentliche Kühlschränke mit Lebensmitteln für jedermann gibt es jetzt in Berlin. Bestückt werden sie von ehrenamtlichen Helfern des Vereins foodsharing, die die Esswaren in Bäckereien, Supermärkten und Restaurants sammeln

Joghurt, Möhren, Schokolade: Das Angebot im Fair-Teiler variiert nach Lust und Laune der Lebensmittelspender Foto: Britta Pedersen/picture alliance

von Julia Schnatz

Er hat 24 Stunden und sieben Tage lang geöffnet. Sein Angebot wechselt ständig bzw. was man in seinen Regalen finden wird, weiß man nie. Mal ist es Joghurt, dann sind es Möhren oder vielleicht Schokolade. Fair-Teiler heißen die öffentlichen Kühlschränke, die für alle da sind. Am Machtmit! Museum für Kinder in Prenzlauer Berg steht so ein Nachbarschaftskühlschrank: Draußen, direkt am Bürgersteig von einem Mauerbogen geschützt, kann hier jeder Lebensmittel in den Kühlschrank stellen oder aber herausnehmen. Gerade ist er gut gefüllt, ein paar Bund Radieschen mit müden Blättern liegen neben Äpfeln und Weintrauben in den Kisten.

Insgesamt 22 dieser Kühlschränke gibt es in Berlin, oft werden die Geräte von Getränkelieferanten oder Privatpersonen gespendet. Der erste Kühlschrank wurde Anfang 2013 in der Markthalle Neun in Kreuzberg eingerichtet. Zurück geht die Initiative auf den foodsharing-Verein zurück, der 2012 von Raphael Fellmer gegründet wurde – jenem Berliner, der seit fünf Jahren im Geld- und Konsumstreik lebt. Mittlerweile gibt es die Lebensmittelretter von foodsharing in ganz Deutschland. „Nachhaltigkeit und bewusster Umgang mit Lebensmitteln liegen uns am Herzen“, sagt die 27-jährige Sina Maatsch, die Mitglied bei foodsharing ist.

Um die Bestückung der Kühlschränke kümmern sich Verteilerteams. Das sind ehrenamtliche Helfer – oft Studenten – die nach Ladenschluss Bäckereien, Supermärkte, Biomärkte und Restaurants abklappern und die geretteten Lebensmittel auf die Kühlschränke verteilen. In Berlin wurden so bislang 622.352 Kilo Lebensmittel gerettet, bundesweit sogar mehr als zwei Millionen Kilo, das entspricht dem Gewicht von 2.000 Kleinwagen.

Grundsätzlich darf nicht alles in den FairTeiler: Mett, Gehacktes und frisch zubereitete Speisen, die rohes Ei enthalten sind nicht erlaubt, da sie ein potentielles Gesundheitsrisiko bergen. Landet doch einmal etwas Verdorbenes im Kühlschrank rückt das Putzteam von foodsharing an, wobei der wöchentliche Putzplan online zwischen den Vereinsmitgliedern abgestimmt wird. Das Gesundheitsamt kontrolliert die Kühlschränke nicht.

In Prenzlauer Berg bleiben am Nachmittag immer wieder Fußgänger am Nachbarschaftskühlschrank stehen, sie lesen den Zettel mit den Informationen zum Projekt, schauen sich die Lebensmittel in den Fächern an. Später fährt eine Frau mit ihrem Fahrrad vorbei. „Ach Mist“, ruft sie ärgerlich, „jetzt hab ich die Sachen schon wieder vergessen.“ Regelmäßig komme sie am Fairteiler vorbei, um eigene Lebensmittel abzugeben. Auch ein kleiner Junge mit Fahrrad läuft auf den Kühlschrank zu. Er steckt den Kopf herein, findet einen Apfel und beißt hinein.

Was aber passiert nachts zwischen den Kühlregalen? „Bislang gab es noch keine mutwilligen Beschädigungen oder Beschmutzungen“, so Maatsch. Von anderen Lebensmittelrettern hat sie gehört, dass mal ein Kühlschrank geklaut wurde. Dafür hat man hier in Prenzlauer Berg jedoch vorgesorgt: Der Schrank ist mit einem Metallrahmen fest an der Mauer befestigt. So kann er noch viele Lebensmittel vor der Mülltonne retten.

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