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„Native Advertising“ auf MedienseitenIm Auftrag von…

„Spiegel“ und „Zeit“ platzieren auf „Bento“ und „ze.tt“ nun auch Werbung, die wie Artikel anmuten. Bedroht das die Glaubwürdigkeit des Journalismus?

Hier ist alles übersichtlich: nur Werbung. Foto: ondrasch / photocase.de

Keine zwei Jahre ist es her, dass zwei empörte Spiegel-Journalisten in die Tasten griffen. Ihre Geschichte überschrieben sie mit „Seelen-Verkäufer“. Das Magazin ging hart mit „seriöse Medien“ ins Gericht, in denen „manche Anzeigen wie redaktionelle Artikel“ aussahen. „Was lange ein Tabu war, gilt plötzlich als heißer Trend“, hieß es. „Beim Spiegel ist die Offenheit für das neue Format begrenzt: Werbung, die aussieht wie ein Text der Redaktion, wird es nicht geben“, versprachen die Journalisten im April 2014.

Nun, im November 2015, setzt der eigene Verlag selbst auf die umstrittene Werbeform: Bento, der junge Internetableger der Spiegel-Familie, hat dieser Tage erste Werbung im redaktionellen Gewand veröffentlicht, das sogenannte Native Advertising. In einem Prospekt für Werbekunden heißt es gar: „Native Advertising/Content Integrationen spielen bei der Vermarktung[…]eine große Rolle.“ Wie sich die Zeiten ändern!

Eines der ersten Native Ads, das der Spiegel-Verlag auf seinen jungen Seiten publiziert, kommt von Google. „Wie man sich die besten Serien auf den großen Bildschirm holt“, heißt es da im Layout der Redaktion. Es geht um die Vorteile der Streaming-Sticks, die Fernseher mit dem Internet verbinden. Das einzige Produkt, das konkret benannt wird, ist der Google-Anstecker Chromecast. Von Amazons Fire Stick oder Microsofts Wireless Display Adapter ist keine Rede.

Immerhin: Bento macht die Produktplatzierung ziemlich transparent. Neben einem grellen grünen Rahmen mit der Aufschrift „Sponsored Post“ heißt es über dem Text und neben einem Logo des angepriesenen Produkts: „Dieser Artikel wurde im Auftrag und mit Unterstützung von Chromecast verfasst.“ An dessen Ende findet sich zudem eine „Kundeninformation“. Vor den Begriffen „Werbung“ oder „Anzeige“ drückt man sich aber.

Das alles ist eine Gratwanderung. Darüber reden wollen die Bento-Macher bislang nicht. Einem analogen Gespräch entziehen sie sich, auf Twitter reagieren sie allerdings auf entsprechende Fragen und Kritik der Nutzer. Vage heißt es dann, man habe sich „für dieses Wording entschieden, weil es im Social-Media-Umfeld gelernt ist“. Oder: „Es ist die erste Werbeform dieser Art, wir nehmen die Kritik ernst und diskutieren das.“

Noch genauer hinsehen

So eine Diskussion tut tatsächlich Not. Es geht um die einfache aber wichtige Frage: Ist Native Advertising fair gegenüber den NutzerInnen, die nun noch genauer hinsehen müssen, und gegenüber dem Journalismus, dessen Glaubwürdigkeit nun bedroht ist? Verbraucherschützer haben jedenfalls schon mehrfach bemängelt, dass immer schwerer zu erkennen sei, welche Inhalte im Netz unabhängiger Journalismus seien und was von Firmen platziert wurde.

Das Problem der Medienhäuser: Für viele ihrer Digitalprojekte ist Native Advertising vermutlich die einzige Chance. Während sich das Abomodell im Netz nach wie vor kaum und schon gar nicht bei Angeboten für junge Nutzer durchsetzen lässt, schalten immer mehr mit sogenannten Ad-Blockern auch noch klassische Werbung aus, die bislang frei verfügbare Angebote finanziert hat.

Vor den Begriffen Werbung oder „Anzeige“ drückt man sich bei bento

Werbung mit journalistischer Anmutung bietet sich als Rettung an. Bislang haben vor allem US-Portale zugegriffen – auch ihre Ableger in Deutschland. Buzzfeed setzt seit jeher ausschließlich auf Native Ads, die Huffington Post zu einem großen Teil. Dann erreichten „Sponsored Posts“ deutschsprachige Blogs und Spezialseiten wie das Tech-Magazin t3n. Der Newsletter dieses Magazins strotzt nur so vor Native Ads.

Jetzt öffnen sich auch traditionelle Verlage diesem Prinzip, das aus der Printwelt bereits als „Advertorials“ oder „Sonderveröffentlichung“ bekannt ist, auch aus der taz. Der Axel-Springer-Konzern hat dieser Tage die deutschsprachige Version des Business Insider gestartet. „So viel Zukunft steckt jetzt schon in den Autos von heute“, heißt es da – „sponsored by Audi“. Immerhin: Dieses Portal schreibt „Anzeige“ dazu.

Auch der Zeit-Verlag will demnächst Native Ads ausprobieren und schickt mit ze.tt auch seinen jungen Ableger vor. „Jeder, der mit Inhalten arbeitet, erzählt Geschichten – wir, um zu unterhalten und zu informieren; Werbetreibende, um ihre Marke zu stärken oder Produkte zu verkaufen“, sagt Projektleiter Sebastian Horn. Die junge Schwester von Zeit Online werde dabei „klar machen, was Native Ad ist und was redaktioneller Inhalt“. Ob „Werbung“ oder „Anzeige“ darüberstehen werde, sei noch in der Diskussion.

Bloß kein Fremdkörper sein

Was bei Native Advertising dazu gehört: Die Betreiber der News-Sites beraten ihre Kunden. Immerhin wissen sie am besten, wie Unternehmen ihre Storys erzählen müssen, damit sie vom Publikum nicht als Fremdkörper empfunden werden. Auch bei ze.tt berät jemand die Werbekunden. Horn verspricht aber: „Diese Person wird nicht journalistisch arbeiten.“

Fest steht: Reklame mit journalistischer Anmutung ist die Zukunft der Werbung im Digitalen. Sie dürfte schon bald auch die großen Verlagsportale erreichen. Bei Spiegel Online heißt es auf die Frage, ob diese Werbeform inzwischen auch hier eine Option sei, man habe in dieser Sache „derzeit keine konkreten Pläne“ – man schließt das damit aber auch nicht aus.

Dabei droht dem dezenten bis unterschwelligen Native Advertising aber dasselbe Schicksal wie den aufdringlichen Werbebannern. Die Entwickler von Adblock Plus planen, auch diese Form zu blockieren. Die Macher von Bento konnten das neulich einem Text ihrer Verlagskollegen vom Spiegel entnehmen. Überschrieben war dieser Artikel mit den Worten: „Reklamefreie Zone.“

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3 Kommentare

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  • Na, verspricht uns die TAZ auch: "Werbung, die aussieht wie ein Text der Redaktion, wird es nicht geben"?

  • Konsequent soll online umgesetzt werden, was schon seit Jahren im Printbereich bemerkbar ist: Das Werbung in redaktioneller Aufmachung erscheint und nur durch das winzige Wörtchen "Anzeige" als solche erkennbar ist. Im Gegensatz zum Printbereich ist Werbung online aber viel aggressiver, z. B: müssen aufdringliche Popup-Boxen mühsam weggeklickt werden, Werbung überdeckt den Text oder unterbricht ihn. Ganz zu schweigen von zahllosen Trackern, die mein Surfverhalten protokollieren wollen, was es im Printbereich ebenfalls nicht gibt. Gegen neben dem Artikel in einer eigenen Spalte platzierte dezente Werbung, die eindeutig als solche zu erkennen ist, habe ich nichts. Da es das online aber -- im Gegensatz zum Printbereich -- kaum gibt, werde ich auch weiterhin Adblocker einsetzen, da Online-Redaktionen trotz erklärten Leserwillens nicht einsichtig sein wollen und ihre Leser lieber vergrätzen.

  • Der Ruf ist schon ziemlich ruiniert, aber der "ehemalige [selbst-investigative] Nachrichtenmagazin" SPIEGEL* ist wahrscheinlich noch groß genug sich derartiges Verhalten leisten zu könne, und die Online-Chefreadkton überdies darauf trainiert Kritik charmant und unberührt an sich abprallen zu lassen. - Für an einschneidender Information interessierte Menschen gibt es (immer noch) ein breites Internet, und es gibt den eigenen anzuwendenden Verstand.

     

    *Daß z.B. TÜV und Fußballorganisationen nicht hasenrein sind, das riecht schon gegen den Wind.