El Niño kommt mit voller Kraft: Waldbrände und Schlammlawinen
Trockenheit in Indonesien, Überflutungen in Amerika. Das natürliche Klimaphänomen El Niño ist in diesem Jahr so stark wie lange nicht mehr.
Und: Durch die Erderwärmung, die durch auf dem Klimagipfel im Dezember in Paris beschlossene Maßnahmen begrenzt werden soll, könnte künftig alles noch schlimmer werden. Denn der Klimawandel könnte das natürliche Klimaphänomen El Niño verstärken, das die Luftverschmutzung in Indonesien begünstigt.
Während einer El-Niño-Phase regnet es in Indonesien weniger als normal. Das hat weitreichende Folgen, denn nach den Ernten werden dort Felder traditionell abgebrannt; zudem werden Wälder mit Brandrodungen zerstört, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Das dort hergestellte Palmöl wird unter anderem Kraftstoffen in Europa zugesetzt, um den Anteil regenerativer Energien im Verkehrssektor zu erhöhen.
Indonesien ist der weltweit größte Palmölproduzent; der Export des Biorohstoffs steigt rasant: Waren es im Jahr 2008 noch 15,6 Millionen Tonnen, so wurden im vergangenen Jahr schon 24,4 Millionen Tonnen ausgeführt. Normalerweise löschen die ganzjährig hohen Niederschläge in Indonesien die von Menschen gelegten Feuer schnell. Während der El-Niño-Trockenphase brennen die Feuer jedoch weiter und breiten sich in die Torfschichten unter der Erde aus. Anhaltende riesige Ruß- und Qualmwolken sind die Folge, die die Atemluft der Menschen vergiften.
Die El-Niño-Phase, die unter anderem unterdurchschnittliche Regenmengen in Indonesien bringt, ist Teil der natürlichen Klimavariabilität, die Wissenschaftler die El Niño Southern Oscillation (Enso) nennen. Konkret ist damit der schwankende Zustand des Systems aus Ozean und der Atmosphäre über dem äquatornahen Pazifik und den pazifischen Küsten von Südamerika, Australien und Indonesien gemeint. Die Wissenschaftler unterscheiden die El-Niño-Phase, die La-Niña-Phase und die neutrale Phase.
Während einer El-Niño-Phase ist in Äquatornähe der Ostpazifik wärmer und der Westpazifik kälter als üblich, während es bei El-Niña umgekehrt ist. Die neutrale Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass weder das eine noch das andere Extrem auftritt. Der Begriff El Niño – spanisch für „das Christkind“ oder „der kleine Knabe“ – wurde von Kolonialisten geprägt, die regelmäßig auftretende Erwärmungen der Küstengewässer von Ecuador und Peru beobachteten; La Niña ist das Gegenstück und bedeutet „das kleine Mädchen“.
Meist kommt El Niño im Herbst oder Winter
Die über Monate anhaltenden über- oder unterdurchschnittlichen Wassertemperaturen im zentralen Pazifik haben erhebliche Auswirkungen auf das Wetter und die Regenmengen in den angrenzenden und weiter entfernten Regionen; abhängig sind sie auch, zu welcher Jahreszeit die Enso-Extreme auftreten. Meist tritt El Niño – wie jetzt – im Herbst oder Winter auf.
„In diesen Jahreszeiten sorgt er typischerweise im Süden Nordamerikas, im Süden Südamerikas, an der peruanischen Pazifikküste, im Osten Afrikas und in Südostchina für ergiebigere Niederschläge“, heißt es in einer aktuellen Analyse des staatlichen Deutschen Wetterdienstes. Gleichzeitig regne es im Süden Afrikas, im Nordosten Südamerikas bis zur Karibik, in Australien, Indonesien und auf den Philippinen weniger als üblich. Trete El Niño im Sommer auf, falle der indische Sommermonsun trockener als üblich aus. Während einer La-Niña-Phase treten in Südostasien und Nordaustralien häufiger Starkregen auf; in Südamerika regnet es hingegen weniger als normal.
Kein El-Niño-Ereignis gleicht dem anderen, aber derzeit ist es besonders schlimm. „Dieser El-Niño ist der stärkste seit mehr als 15 Jahren“, sagt Michel Jarraud, Chef der Weltwetterbehörde WMO. „Die tropischen und suptropischen Zonen erleben bereits schwere Dürreperioden und zerstörerische Überschwemmungen, die den Stempel von El Niño tragen.“
Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich in Ecuador. Dort hat Präsident Rafael Correa in dieser Woche den Ausnahmezustand in 17 von 24 Provinzen ausgerufen. Damit solle im Fall einer Naturkatastrophe die „notwendige und unverzichtbare“ Nothilfe gewährleistet werden. Ecuador befürchtet nicht nur unwetterartigen Regen, sondern auch Überschwemmungen an der Küste durch den derzeit erhöhten Wasserstand.
Überflutungen und Schlammlawinen
Auswirkungen hat die aktuelle El-Niño-Phase, die bis ins nächste Jahr andauern dürfte, auch auf Kalifornien, das zuletzt unter einer jahrelangen Dürre litt. Wissenschaftler erwarten nun ergiebige Niederschläge für die diesjährige winterliche Regenzeit. Dieser Regen – und der Schnee in den Bergen – wird einerseits dringend benötigt, um die weitgehend leeren Stauseen aufzufüllen; andererseits kann er unwetterartige Ausmaße erreichen – mit den entsprechenden Schäden. So gab es Mitte Oktober im Großraum Los Angeles Starkregen mit Überflutungen und Schlammlawinen.
Ob der Klimawandel El-Niño-Phänomene verstärkt oder häufiger hervorruft, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Aber dass es Einflüsse gibt, darüber sind sich viele Forscher einig. „Das natürlich auftretende El-Niño-Ereignis und der von Menschen verursachte Klimawandel können sich auf eine Art und Weise beeinflussen, die wir noch nie erlebt haben“, warnt Weltwetterbehördenchef Michel Jarraud.
Und für den Deutschen Wetterdienst ist klar: „Aufgrund der globalen Erwärmung erhöht sich die Verdunstung und beschleunigt sich der globale Wasserkreislauf, und zwar meist im Sinne einer Verschärfung bestehender Anomalien.“ Dies gelte auch für die Anomalien, die durch natürliche Klimavariabilitäten, etwa der El Niño Southern Oscillation, im Niederschlagsgeschehen entstünden. Im Klartext: Es drohen stärkere Überflutungen und schärfere Dürren. „Auch das aktuelle El-Niño-Ereignis zeigt mit dem bereits festzustellenden Schadensgeschehen, dass durch den Klimawandel die Resilienz des Menschen gegen eine natürliche Variabilität wie dem El-Niño-Phänomen reduziert wird.“
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