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Prostitutionsvorwürfe gegen Diakonie

SCHWERER VORWURF Hildesheimer Polizei ermittelt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Menschen mit Behinderungen. Diakonie-Mitarbeiter sollen davon gewusst – und weggesehen haben

Schwarze Zuhälterlimousinen wurden vor der Behinderten-Wohnanlage gesichtet

Der Vorwurf ist schwerwiegend: Frauen und Männer mit Behinderungen, die in der Diakonie Himmelsthür in Hildesheim untergebracht sind, sollen sich ihr karges Taschengeld durch Prostitution aufgebessert haben. Mitarbeiter der Einrichtung sollen dabei zumindest aktiv weggeschaut haben. Nach einem Bericht der „Hildesheimer Allgemeinen“ hat die Polizei am Samstag die Ermittlungen wegen des Verdachts des „sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen“ aufgenommen – ein Straftatbestand der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet wird.

Diakonie-Direktor Ulrich Stoebe hatte sofort nach Erscheinen des Berichts eine entsprechende Anzeige gestellt, um die erhobenen Vorwürfe polizeilich aufklären zu lassen. „Wir haben ein ureigenes Interesse, dass die Sache aufgeklärt wird“, sagt er. Die Einrichtung werde deshalb „der Polizei jede Hilfe leisten, um herauszufinden, was an den Aussagen dran ist“. Beamte nahmen am Sonnabend die Zeugenaussagen von Stoebe und der Himmelsthür-Regionalchefin Judith Hoffmann auf. Himmelsthür ist mit landesweit 20 Standorten, 2.000 Wohnplätzen und rund 2.400 Mitarbeitern die größte Einrichtung für behinderte Menschen in Niedersachsen.

Nachdem der Diakonieleitung am 9. Januar bekannt wurde, dass Missbrauchsvorwürfe kursieren, haben „wir in die Einrichtung hineingehört, die Vorwürfe aber nicht erhärten können“, sagt Diakonie-Pastorin Ute Quednow, die deshalb davon ausgeht, dass auch die polizeilichen Ermittlungen „den Verdacht nicht bestätigen werden“.

„Wir stehen ganz am Anfang der Ermittlungen und können bislang nur sagen, dass in der Prostituiertenszene rund um Hildesheims Hauptbahnhof diese Personengruppe nicht auftaucht“, erklärt Gerd Schomberger, Leiter des zentralen Kriminaldienstes in Hildesheim. Er spielt damit auf die Aussage des Hauptzeugen der Zeitung an, behinderte BewohnerInnen hätten sich auch hier angeboten.

Der Polizei geht es nun darum, die Quellen des Zeitungsberichts ausfindig zu machen: Den Vater einer Bewohnerin, die selbst wohl nicht betroffen ist, mehrere Betreuer und ein ehemaliger Zivildienstleistender. Der hatte im Schutz der Anonymität behauptet, die Prostitution der Einrichtungsbewohner sei „ein offenes Geheimnis“.

In den Aussagen tauchen wiederholt Hinweise auf, dass Zigaretten als Bezahlung für Sex verwandt worden seien. „Schwarze Zuhälterlimousinen“ seien vor den Wohnanlagen im Hildesheimer Stadtteil Sorsum beobachtet worden, die mehrere Frauen mitgenommen hätten.  MARCO CARINI

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