: "Mohamed war einer der eifrigsten"
VERBRECHEN II Im Frühjahr nahm der Flüchtlingsjunge an einem Malworkshop teil. Bestattung in Berlin
Vaja Marcone weiß, was es heißt, wenn das eigene Kind getötet wird. 2011 griffen zwei Männer ihren Sohn Guiseppe am U-Bahnhof Kaiserdamm an. Er flüchtete auf die Fahrbahn, wurde von einem Auto erfasst und starb. Vaja Marcone gründete später eine Stiftung für Gewaltprävention.
Ausgerechnet der vierjährige Mohamed, der im Oktober entführt und ermordet wurde, hatte im Frühjahr an einem der von der Marcone-Stiftung geförderten Malworkshops teilgenommen. „Mohamed war einer der eifrigsten. Er ist im Atelier herumgeschwirrt, blühte auf. Er hat viel gelacht und die anderen mit animiert“, erzählt Vaja Marcone am Montag bei einem Pressegespräch. Sie beschreibt ihn als wissbegierig und offen. Auch hartnäckig sei er gewesen. Eigentlich hätten nur Schulkinder an dem Projekt teilnehmen dürfen. Doch Mohamed kam immer wieder mit seiner großen Schwester mit. „In Latzhose stand er vor der Tür des Ateliers“, sagt Marcone. Also hätten sie ihn schließlich doch mitmachen lassen.
Verwandte angereist
Jetzt, nach Mohameds Ermordung, unterstützt Vaja Marcone die Mutter, die zehnjährige Schwester und das Baby. „Die Familie braucht das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden“, sagt sie. Die juristische und soziale Hilfe sei nun sehr wichtig.
Mohamed war Anfang Oktober vom Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit entführt worden. Ein 32-Jähriger aus Brandenburg räumte vergangene Woche ein, Mohamed mit zu sich in ein Dorf in der Nähe von Jüterbog gebracht, ihn sexuell missbraucht und getötet zu haben. Er gestand auch, zuvor bereits den sechsjährigen Elias aus Potsdam umgebracht zu haben. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft.
Die Familie Mohameds wohnte vor der Tat in der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf. Inzwischen habe man sie vom öffentlichen Rummel abgeschottet, sagt Marcone. „Wir sind gerade dabei, ihnen eine Wohnung einzurichten.“ Viele Verwandte seien angereist, um gemeinsam mit der Familie um den Jungen zu trauern.
Mohamed soll in den nächsten Tagen nach islamischem Ritus in Berlin bestattet werden. Das kündigt der SPD-Abgeordnete İlkin Özışık im Namen der Familie an. Auch er kümmert sich um Mutter und Geschwister, weil sein Wahlkreis in Moabit liegt. Die Leiche sei am Montag freigegeben worden, sagt der Anwalt der Familie, Khubaib Ali Mohammed. Das Geld für die Bestattung habe man bereits gesammelt.
Mohameds Familie stammt den Angaben zufolge aus Bosnien. Özışık fordert für sie nun ein Bleiberecht. „Die Mutter hat nur noch eine Duldung für einen Monat“, sagt der Abgeordnete. Sie zweifle, ob Berlin wirklich ihre Heimat werden könne. Ein weiterer Anwalt der Familie ist bei der Frage des Bleiberechts optimistisch. Möglicherweise müsse die Mutter im Strafverfahren aussagen. Dann bekomme sie ohnehin ein Aufenthaltsrecht. Antje Lang-Lendorff
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