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Temporärer Kunstkosmos

Kultur Das alte Rechenzentrum in Potsdam wird als neues Kunst- und Kreativquartier für die alternative Szene in der Nachbarschaft der geplanten Garnisonkirche eröffnet

Soll Künstler inspirieren: Fritz Eisels Auf-ins-All-Mosaik am Rechenzentrum Foto: Schoening/picture alliance

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ein „kreativer Kosmos“, wie es auf einem Transparent an der Fassade des ehemaligen Rechenzentrums in Anlehnung an Fritz Eisels dortiges Mosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ heißt, entsteht derzeit in Potsdam. Für die kommenden dreieinhalb Jahre soll der triste Bürowürfel mit seinen fünf Geschossen aus dem Jahr 1971 zu einem großen alternativen Kulturstandort – neben dem Theaterquartier an der Schiffbauergasse sowie den Studios in Babelsberg – in der brandenburgischen Landeshauptstadt werden.

Der Block aus den Zeiten des sozialistischen Städtebaus ist, ähnlich den Plattenbauten Ostberlins, für Künstler hoch attraktiv, kann er doch selbst zum Experiment werden – wie schon an der Fassade zu sehen ist.

Bemerkenswert ist: Das neue Kunsthaus ist direkter Nachbar zum Grundstück für den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche, deren Rekonstruktion gerade die junge Szene in Potsdam kritisiert. Die Stiftung Garnisonkirche ist Eigentümerin des Rechenzentrums, unterstützt aber dennoch die jetzigen kulturellen Nutzer, wie Peter Leinemann, Verwaltungsvorstand der Stiftung, erklärte: „Wir begrüßen, den Potsdamer Kreativen im Rechenzentrum Raum zu geben.“ Am 5. November 2015 wird das neue „Kunst- und Kreativhaus“ offiziell mit Ausstellungen, Filmen, Performances, Musik und „offenen Türen der Ateliers, Studios, Werkstätten und Büros“ eröffnet.

Aktuell stehen im Rechenzentrum rund 1.500 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Ab 2016 – nach dem Auszug der letzten IT-Büromieter – können dann alle 90 Räume und Säle auf dann über 5.000 Quadratmeter bezogen werden, wie Andreas von Essen vom Kunsthaus-Betreiber, der Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin (SPI) bei einem Rundgang erläuterte. Die SPI managt ähnliche Projekte, darunter das Kreuzberger Künstlerhaus Bethanien.

Nach Auskunft der Stiftung SPI hatten über 150 Künstler im Sommer Interesse an den Räumlichkeiten angemeldet, über 50 Anmeldungen und Mietverträge sind bis jetzt mit Künstlern, Designern oder Medienleuten abgeschlossen worden. Zu guten Bedingungen: 7 Euro brutto pro Quadratmeter müssen die Mieter berappen.

Wird die Garnison­kirche doch einmal gebaut, müssen die Künstler raus

Für die freie Szene in Potsdam ist das Rechenzentrum ein Gewinn, sind doch günstige Flächen in der Stadt Mangelware. Als 2014 hunderte Künstler protestierten, weil die Alte Brauerei als Atelier- und Probenort wegen neuer Wohnungen aufgegeben werden musste, brachten Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sowie Kulturschaffende das zum Abriss bestimmte Rechenzentrum an der Breiten Straße für eine Zwischennutzung ins Spiel.

Nach Verhandlungen zwischen der Stiftung Garnisonkirche und der Stadt wurde 2015 verabredet, dass der Büroklotz „vorläufig bis 2018“ betrieben werden kann. Das Kreativhaus soll, vergleichbar dem Berliner Palast der Republik, ein „temporäres“ Projekt werden.

Der Vertrag sieht aber vor, dass die Künstler weichen müssen, wenn das Kirchenschiff gebaut würde. Wann es zu einem Baubeginn kommt, ist derzeit offen. Jakobs, der zur Eröffnung geladen ist, hat die alternative Szene bestärkt. Die Landeshauptstadt werde das Projekt „produktiv begleiten“, betonte der Oberbürgermeister.

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