: Nach dem Blutbad: Zeichnen als Therapie
Am 7. Januar 2015 stürmten, man hat das natürlich nicht vergessen, radikale Islamisten die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und erschossen zwölf Menschen, darunter Kollegen und enge Freunde des Zeichners Renald Luzier, besser bekannt als Luz. Dem Anschlag entkam er nur, weil er mit seiner Frau in seinen Geburtstag hineingefeiert hatte. Als er dann mit etwas Verspätung die Redaktion erreichte, wurde er einer der ersten Zeugen der Tragödie.
Noch unter Schock fand er sich im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit wieder: Der Anschlag war zur nationalen, ja internationalen Angelegenheit geworden. „Bei den ersten Bravos haben wir noch alle geweint”, erinnert sich Luz. Dass ihm der massive Zuspruch, der Charlie daraufhin entgegenschlug, doch bald suspekt wurde, drückte er spätestens in seiner Grabrede zur Beerdigung seines ehemaligen Chefredakteurs und besten Freundes Stéphane Charbonnier aka Charb aus: „Ihr seid Charlie? Dann beweist es doch!”
Dem persönlichen Trauma hat er sich nun in seinem Comicbuch „Katharsis” gewidmet (Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2015, 126 Seiten, 16,99 Euro). Es folgt keinem Drehbuch, sondern entpuppt sich als eine Reihe kurzer Sketche, die den Tag des Anschlags und die Zeit danach Revue passieren lassen. Mal abstrakt, mal fiktiv, oft düster, manchmal komisch durchleuchtet er sein neues Leben unter ständigem Polizeischutz. Er führt fiktive Gespräche mit Charb, stellt sich die Brüder Kouachi als Kinder vor und macht Bekanntschaft mit „Ginette”, seinem „Kloß im Bauch”. Mit dem Pinsel bohrt er in seiner Trauer, seiner Wut und seinen Ängste, lässt der Lust, alles umzuschmeißen, freien Lauf.
Nach dem Anschlag wäre ihm das Zeichnen beinahe abhandengekommen. Zu einer Qual wurde auch die Arbeit an Charlie Hebdo, was schließlich zu seiner Kündigung im letzten Mai führte. „Katharsis” oder das aufrichtige Durchforsten seiner erschütterten Seele hat ihn wiederum zu seinem Handwerk zurückgeführt. Elise Graton
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