piwik no script img

Kolumne KulturbeutelAuf der Schleimspur

Die Autoren der Autorennationalmannschaft sind zu Fans von Borussia Dortmund geworden und schreiben darüber. Sponsor Evonik sei Dank!

Eine Kurve, die Autoren begeistert. Die Südtribüne im Dortmunder Versicherungspark Foto: dpa

H inter dem deutschen Schriftstellerfußball liegen erfolgreiche Jahre. 2010 hat die Autorennationalmannschaft die EM gewonnen. Das Finale in Dortmund, das die deutschen Autoren mit 5:4 nach Elfmeterschießen gegen eine Schriftstellerauswahl aus der Türkei gewonnen hat, wird das Team so schnell nicht vergessen. Die Botschaft, die die Mannschaft ausgesendet hat, war unmissverständlich: Im Fußballspielen ist die deutsche Literatur spitze.

Natürlich können sie auch schreiben. Thomas Brussig (“Helden wie wir“, „Das gibt’s in keinem Russenfilm“), der die Idee zu diesem Team gehabt haben soll, hat sogar bewiesen, dass es möglich ist, ein literarisch interessantes Produkt, das sich mit dem Thema Fußball befasst, anzufertigen. Sein Romänchen „Leben bis Männer“ über den Jugendtrainer eines Klubs namens „Tatkraft Börde“ darf getrost als herausragend bezeichnet werden.

Andere Teammitglieder sind besser, wenn sie sich nicht mit Fußball befassen. Der Dramatiker Albert Ostermaier etwa, einer der Protagonisten der Autorennati, ist so einer. Dessen Stück „Halali“, das in einer Nervenheilanstalt spielt, in der sich ein Patient einbildet, Franz Josef Strauß zu sein, ist ein schöner Text für dieses Jahr, in dem der Gott der CSU seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Seine Fußballtexte können da nicht mithalten.

Oder Moritz Rinke, der Stürmer des Schriftstellerteams, dessen Dramen (“Republik Vineta“, „Nibelungen“) gern gespielt werden auf deutschen Bühnen. Auch der sollte die Finger lassen von Texten über Fußball, die ihm oft doch allzu ranwanzerisch geraten (“Also sprach Metzelder zu Mertesacker“).

Womit wir beim Thema Ranwanzen wären. „Man muss ein Spiel auch lesen können“ heißt eine Anthologie, die gerade erschienen ist. Sie versammelt Texte von Autoren der Autorennationalmannschaft. Die haben eine Saison lang Borussia Dortmund begleiten dürfen. Es war die vergangene Spielzeit, die ja nicht ganz so gut gelaufen ist für den BVB. Dass alle mal nach Dortmund kommen konnten, um sich ein Spiel anzusehen, hat Dortmunds Hauptsponsor Evonik ermöglicht, dem Moritz Rinke im Vorwort und Nachwort angemessen devot dankt.

Ohne kritischer Geist

Gut möglich, dass die Autoren vor lauter Dankbesoffenheit vergessen haben, etwas von ihrem hoffentlich doch vorhandenen kritischen Geist in ihre Texte einfließen zu lassen. Da wird die Südtribüne angehimmelt, werden Hymnen auf Spieler und Exspieler gesungen, Jürgen Klopp regelrecht angebetet.

Es mag ja sein, dass es den Schriftstellerspezis ganz gut gefallen hat im Stadion, aber gibt es da nicht noch mehr zu erzählen? Stehen auf der Südtribüne nicht auch ein paar finstere Gestalten aus der berüchtigten Dortmunder Naziszene? Wie echt ist die echte Liebe der Fans, wenn die Wortkombination „echte Liebe“ zum offiziellen Werbeslogan geworden ist? Und wie tickt jemand, der es wie Jürgen Klopp schafft, mitten in der Finanzkrise das Wort Gier wieder salonfähig zu machen?

Vielleicht kann ja nichts anderes herauskommen bei dieser Art der gesponserten Literatur, für die der Aufbau-Verlag seine Marke „Blumenbar“ (War das nicht mal ein anspruchsvolles Verlagsprojekt?) hergegeben hat. Alles andere als verschämt steht dann allen Ernstes bei den bibliografischen Angaben des Werks auch noch: „Idee und Konzept: Markus Langer, Evonik Industries, Essen“. Das klingt wie eine ideelle Selbstaufgabe. Noch schlimmer ist da nur, dass für einen Geleittext, witzig-witzig „Saisonvorbereitung“ genannt, ausgerechnet die notorische Pegida-Versteherin Monika Maron gewonnen wurde.

Hoffen wir mal, dass die große Ranwanzerei ein Ausrutscher bleibt. Und wünschen wir dem kritischen Geist der kickenden Autoren nur das Beste und dass sie so schnell nicht mehr an ein Buffet im VIP-Raum eines Bundesligisten gelassen werden. Und einen Sieg im nächsten Spiel wünschen wir natürlich auch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!