: Wegen "Anstiftung zu Hass" vor Gericht
Frankreich Öffentliche muslimische Gebete hatte Marine Le Pen mit der Nazi-Besatzung verglichen
Grund dafür ist ein provokativer Vergleich von öffentlichen muslimischen Gebeten auf der Straße und der Besetzung Frankreichs durch die Nazis während des 2. Weltkrieges. Die Ausübung des Glaubens wird dabei einer politischen Machtdemonstration gleichgestellt. Das ist der Hintergrund der Äußerung von Marine Le Pen in Lyon im Dezember 2010.
Sie war damals nicht Parteichefin, sondern Kandidatin für den Parteivorsitz als Nachfolgerin ihres Vaters, Jean-Marie Le Pen. Zu den umstrittenen Gebeten sagte sie: „Das ist eine Form der Besetzung ganzer Teile unseres Territoriums und unserer Quartiere, wo das religiöse Gesetz gilt. Es ist keine Besetzung mit Panzern und Soldaten, aber eben doch eine Besetzung. Und von den Einwohnern wird das als Belastung empfunden.“ Die französischen Muslime fühlten sich durch den impliziten Vergleich mit Hitlers Besatzung, der Zeit der „occupation“, verletzt. Der repräsentative Rat des muslimischen Kults in Frankreich (CFCM) reichte Klage ein. Im Falle eines Schuldspruchs riskiert die FN-Präsidentin bis zu ein Jahr Haft und 45.000 Euro Geldbuße.
„Ich habe nichts Strafbares gemacht“, erklärte sie selbstbewusst beim Betreten des Gerichtsgebäudes. Sie werde sich „diese Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen“. Juristisch argumentierte sie als ehemalige Anwältin mit einem Unterschied: „Die Betenden auf der Straße sind keine Rasse, ethnische oder religiöse Gruppe, es ist ein (störendes) Verhalten.“ Selbstverständlich verlangt sie einen Freispruch.
Dennoch kommt ihr der Prozess auch ungelegen. Denn über Jahre hat sie alles getan, um sich vom rechtsradikalen Ballast ihres Vaters loszusagen, der die Schoah als Detail der Geschichte verharmlost hatte und wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt worden war. Der Prozess von Lyon belegt, dass in der Familienfirma FN der Apfel eben doch nicht so weit vom Stamm gefallen ist. Rudolf Balmer
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