: Zerbrochenes Glas
SEXUELLE GEWALT Nach der Odenwaldschule löst sich auch deren Opferverein „Glasbrechen e. V.“ auf
In einer Pressemitteilung begründete der 1. Vereinsvorsitzende Adrian Koerfer den Schritt mit Auflagen des Finanzamts: Dieses habe von dem Verein, in dem sich Betroffene des jahrelangen sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule organisiert haben, eine Satzungsänderung verlangt. Die aber laufe den Vereinszwecken zuwider. Deshalb habe man in einer Mitgliederversammlung am Samstag einstimmig die Auflösung beschlossen und denke nun über eine neue Organisationsform nach.
Wenn das Finanzamt dem Verein verbietet, Geld einzuwerben und auch an Mitglieder auszuzahlen, wie in der Pressemitteilung geschildert, dann verlöre „Glasbrechen“ tatsächlich „einen substanziell notwendigen Aufgaben- und Handlungsbereich“. Schließlich war die Beschaffung von Hilfe und Geld für Missbrauchsbetroffene Hauptzweck des von Altschülern gegründeten Vereins. In der Vereinssatzung steht, dass „Glasbrechen“ als gemeinnützig und mildtätig eingetragen ist. Mit dem Hauptzweck, „materiellen und ideellen Nachteilsausgleich“ zu leisten. In den fünf Jahren, die „Glasbrechen“ besteht, gab es nie Gerüchte, dass der Verein unseriös gewirtschaftet habe. Handelt es sich um einen Fall von Behördenwillkür?
Eine telefonische Nachfrage bei „Glasbrechen“ legt den Verdacht nahe, dass wohl vor allem interne Querelen für die Turbulenzen verantwortlich sind. Sabine Pohle, zweite Vorsitzende des Vereins, zweifelt die Gültigkeit der Auflösung an: Zur Mitgliederversammlung seien nicht alle der rund 50 Mitglieder eingeladen gewesen, drei von vier Vorstandsmitgliedern seien nicht einmal anwesend gewesen. Zudem zweifelte Pohle an, dass die Auflagen des Finanzamts wirklich so desaströs für den Verein wären wie von Koerfer dargestellt: Anwälte hätten das Problem mit der geforderten Satzungsänderung als lösbar bezeichnet. Man habe auch keine Probleme mit den Behörden.
Für Pohle ist die voreilig verkündete Selbstauflösung aber auch eine Chance: Nach der Schließung der Täterinstitution müsse man sich ohnehin neu orientieren. Die eigentliche Arbeit aber bleibe: „Die Opfer und ihre Probleme sind noch da, auch Prävention ist nicht weniger wichtig geworden. Wir haben noch immer viel zu tun.“
Nina Apin
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