Die Wahrheit: Alle sind wieder da
Erst der Film und nun das: Nach Hitlers Rückkehr wird weltweit weiter reinkarniert – die Adolfitis ist ausgebrochen.
Gut, Adolf Hitler ist also wieder da. Beziehungsweise: Nicht gut. Zum Glück aber, so zeigt die aktuelle Hitler-Dokumentation in unseren Kinos, findet der Exverführer im heutigen Berlin zwar einige Freunde und Anhimmler, er turnt durch Talkshows, scheitert an unarisch-türkischen Reinigungskräften und dem Internet, ist aber von einer erneuten Machtübernahme so weit entfernt wie Neonazis vom Verstandesvolumen einer großdeutschen Zwergamöbe.
Die Bundesregierung wertet den seltsamen Gast als „Flüchtling wie so viele andere auch“ – auch wenn er „aus dem Gestern kommt mit einem tausendjährigen Reich als zeitenüberwindendem Migrationshintergrund“. Ob Hitler Asyl bekommt oder nach Österreich abgeschoben wird, sei noch nicht entschieden.
Der Fall Hitler indes verblendet die Wahrnehmung. In seinem braunem Schatten haben sich zahllose andere Wiederkehrer, fälschlich für immer tot geglaubt, in die Gegenwart geschmuggelt. Bislang fahrlässig wenig beachtet.
So zeichnet in Paris seit gestern ein gewisser Mohammed die bösesten Mohammed-Karikaturen seit Erfindung des Bleistifts und sagt: „Sich selbst kann man doch am besten parodieren. Je suis Charlie Mohammed.“
Welchen Hund hätten S‘ denn gern?
In Schwabing wird Jackie gesehen, einer der treuesten Fernsehhunde westdeutscher Nachkriegsgeschichte, ausgelassen bellend an der Leine seines Herrchens Robert Lembke.
John Lennon singt wieder, in der „World Peace Band“ – mit Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jacques Brel und etwas überraschend Roy Black. Die Casablanca-Konzerte mit Sam reloaded sind nach wenigen Minuten ausverkauft.
Petra Kelly erwirkt in einer Grünen-Klausursitzung den Parteiausschluss „von Joschka Fischer, Winfried Kretschmann und anderen Verrätern unserer Sache“. Bin Laden hat einen Hollywood-Vertrag über sein Lebenswerk abgeschlossen und wird sich (“Bin Mime“) selbst darstellen. Tucholsky schreibt wieder, Rosa Luxemburg liest in der Schaubühne Brecht-Gedichte, vom Autor im Publikum unter Tränen beklatscht.
Margaret Thatcher ist die neue Attraktion im Zirkus Britannica Metallica, wo sie zigarrendicke Eisenstangen biegt wie Knetgummi. Apropos Sport: Kickers Offenbach und Bayer Uerdingen spielen wieder in der Bundesliga, der FC Bayern macht als Regionalligist weiter. Jürgen Klopp passt exakt in die Zeit: Er gibt als Liverpöhler den „Experten für Wiedergeburt“, wie der Guardian schreibt. Pädagogenverbände freuen sich über den „leibhaftigen Geschichtsunterricht mit Zeitzeugen“ und laden Jeanne d’Arc, Kleopatra, Che Guevara und Rudi Dutschke in Oberstufenklassen und viel besuchte VHS-Seminare.
CSU trotz Wiedergänger Strauß not amused
Allerdings ist nicht jeder begeistert. Die CSU geißelt erstaunlicherweise trotz Franz Josef Strauß’ Machtwiederübernahme „die weltweite Comebackeritis“ als „dumme und gefährliche Zeitgeistmode“. Die katholische Kirche sieht ihr Lügengebäude von Sünde, Verderbnis und der Legende vom ewigen Leben unterminiert und macht, wen sonst, „den Leibhaftigen für das Gomorrha dieser Tage verantwortlich“.
Vereinzelt sind auch Scharlatane als Trittbrettfahrer unterwegs: So ist in der Gegend von Hebron ein langhaariger Vagabund (“Ich bringe euch den Jüngsten Tag“) als schamloser Lügner entlarvt worden. Von wegen Jesus: Palästinenser rissen dem jungen israelischen Siedler die Perücke vom Kopf. Der Mossad leugnet jegliche Mittäterschaft.
Die „Titanic“ wird heute in New York erwartet. King Kong, nur wenig ergraut, hat auf dem Empire State Building Platz genommen und wird winken, wie er CNN versprach. Kapitän Smith teilt in seinem Blog mit, man müsse wohl vor einiger Zeit „an einem Eisberg falsch abgebogen sein“.
Umgehend hat ein Run auf Tickets für die Rückreise der „Titanic“ eingesetzt. Die Ururenkel dreier Opfer von 1912 wollen die vergilbten Fahrscheine von damals für die Rückreise nutzen – ihre Anwälte haben bereits eine Sammelklage eingereicht und fordern zusätzlich einen zweistelligen Millionenbetrag Entschädigung wegen „113-jähriger Verspätung der Reise, ein Wert, den in Germany nicht mal die Bahn bislang erreicht hat“.
Gar nicht weit des tatsächlich unsinkbaren Schiffes ist auch Atlantis wieder aufgetaucht. Erste Nasa-Roboter haben auf dem mysteriösen Urkontinent Wasserspuren entdeckt. „Die könnten aber auch vom Auftauchen aus dem Atlantik stammen“, sagen Wissenschaftler, „wir untersuchen das noch.“
Im Buddhismus glaubt man, mit „der weltweiten Sonderform der Wiederkehr einen Beweis für die Reinkarnation zu erleben“, wie der Dalai Lama lächelnd sagt, der sich zur Feier des Tages ein kleines Hitler-Bärtchen angeklebt hat. Ein Jeglicher komme eben derzeit statt als Ameise oder Kröte als er oder sie selbst zurück.
Gelehrte haben sich in tibetische Klöster zurückgezogen, um „diesem erstaunlichen Phänomen innerer Inzucht“ theologisch beizukommen. Womöglich, sagen sie schon jetzt, sei der plötzlich erschienene Adolf Hitler gar nicht Adolf Hitler, sondern die Wiedergeburt eines Schauspielers. Stalin hat bei der Preview in Moskau über „diesen revanchistischen Unsinn“ ohnehin schallend gelacht.
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