Wenn zwei Welten aufeinander treffen.: Behörde trifft Straßenjugend
Straßenkinder planen eine eigene Vertretung als Anlaufstelle für Notfälle.
Lucas lebte ein halbes Jahr in Hamburg auf der Straße, bevor er mit Hilfe der Straßensozialarbeit eine Bleibe fand. Trieze war aus einem Heim geflohen, dass autoritäre Strukturen hatte. Heute lebt sie mit Baby in einer Mutter-Kind-Einrichtung. Seit der Schließung von Heimen wie Haasenburg und Friesenhof gibt es bundesweit eine Diskussion um die Heimpolitik. Es gebe gerade ein Zeitfenster „wo Sie mit ihrer Stimme gehört werden“, sagte Bange. Er wollte zum Beispiel wissen, ob die Einrichtung von Ombudsstellen sinnvoll ist.
In ihrem Heim habe das nicht geholfen, sagt Trieze: „Da gab es totale Überwachung. Ich konnte keinen Schritt allein machen.“ Wichtig sei, überhaupt gehört zu werden und auf Augenhöhe mit Sozialarbeitern zusammenzuarbeiten, sagt Lucas. „Eine Beschwerdestelle ist nicht sinnvoll, wenn dann die Beschwerde nicht anerkannt wird. Da treten wir lieber selber an die Politik ran.“ Jugendliche, die in solche Heime kommen, würden oft als schwer erziehbar abgestempelt, ergänzt Trieze. „Da heißt es, der denkt sich das eh alles nur aus“.
Geschichten wie die von Lucas und Trieze gibt es viele. Bundesweit leben etwa 7.000 Minderjährige auf der Straße. Seit 2013 gibt es als erste Form der Selbstorganisation die rund 20-köpfige „ständige Vertretung der Straßenkinder“, die sich alle zwei Monate im Raum Berlin trifft.
Eine solche „ständige Vertretung“ müsste es auch in Hamburg geben, sagte Carolin Becker vom Paritätischen Wohlfahrtverband, die gemeinsam mit Ronald Prieß (Linksfraktion) die Delegation begleitet hatte. Für so eine Vertretung, „bräuchte man auch Mittel“, setzte Pries nach.
Auch Lucas und Trieze schwebt so eine eigene Vertretung vor. Ohne Sozialarbeiter mit Notruftelefon, wo sich Jugendliche rund um die Uhr über ihre Rechte informieren können. „Wenn jemand geschlagen wird in einer Einrichtung“, sagt Lucas, dann spreche der vielleicht lieber mit Gleichaltrigen als mit der Polizei.
„Wir sind nicht nur gegen die Jugendhilfe. Vielen von uns hat sie geholfen“, sagt Lucas. Die Probleme gebe es meist wegen Schule, Ausbildung und Wohnungsnot.
Hier will die Behörde einiges tun. Man habe einen Masterplan gegen Obdachlosigkeit von jungen Menschen entwickelt, sagte Banges Mitarbeiter Wolfgang Pritsching. Man wolle Notschlafplätze schaffen und dafür mit den Straßenkindern Ideen entwickeln. Auch andere Mitarbeiter ermunterten die beiden, sich zu melden, wenn sie Ideen haben. Lucas will das tun und ein Konzept für eine Straßenkinder-Vertretung einreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!