: Geschwätzige Familie
FIFA Präsident Sepp Blatter und sein Möchtegern-Nachfolger, der Uefa-Chef Michel Platini, werden von der verbandsinternen Ethikkommission für 90 Tage suspendiert. Unter den Fußballfunktionären hat ein munteres Hauen und Stechen begonnen
Von Johannes Kopp
Bitterbös hat sich Michel Platini am Donnerstagmorgen noch beschwert. Er ereiferte sich darüber, dass das am Mittwochabend verbreitete Gerücht, er und Fifa-Chef Sepp Blatter würden von der Ethikkommission für 90 Tage suspendiert werden, aus offizieller Fifa-Quelle stamme. Er sprach von einem Leak „von heimtückischer Natur“. Man wolle seinen Ruf ruinieren. Andererseits kam die Warnung für ihn gerade noch rechtzeitig. Wie Platini nämlich in seinem Statement erklärte, hat er noch am selben Morgen seine Bewerbung für die Wahl zum Fifa-Präsidenten nächsten Februar eingereicht.
Um 12.25 Uhr verschickten dann die Nachrichtenagenturen die Eilmeldung, dass die Ethikkommission Blatter und Platini für 90 Tage gesperrt hat. Nun sind die beiden Top-Funktionäre von allen Fußballaktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen. Als Präsidentschaftskandidat kann Platini formal noch zugelassen werden, allerdings muss er eine Prüfung durch die Wahlkommission überstehen, und die nächsten drei Monate kann er keinen Wahlkampf führen.
Die Ehtikkommission verhängte unter Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert weitere Strafen. Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke wurde für 90 Tage suspendiert; der Südkoreaner Chung Mong Joon, der sich ebenfalls für die Blatter-Nachfolge bewerben wollte, wurde für sechs Jahre gesperrt und muss 100.000 Schweizer Franken zahlen.
Vor zwei Wochen hat die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der „ungetreuen Geschäftsbesorgung“ eingeleitet. Es geht um zu günstig verscherbelte TV-Rechte an den Fifa-Vizechef Jack Warner und um eine ominöse Honorarüberweisung der Fifa an Platini. Der Franzose erhielt 2 Millionen Euro für Beraterdienste beim Weltverband, die aber bereits fast zehn Jahre zurücklagen. Platinis Erklärung, die späte Zahlung hätte mit der damals knappen Kassenlage bei der Fifa zu tun, wurde offenbar nicht als glaubwürdig gewertet.
Dass der Entscheid der Ethikkommission vorab an die Öffentlichkeit lanciert wurde, ist einer neuen Kultur der Geschwätzigkeit im Weltverband geschuldet. Die Zeiten der Omertà, als noch das Mafia-Gesetz des Schweigens in der großen Fußballfamilie galt, sind vorbei, seitdem die Fifa im Visier staatlicher Ermittlungsbehörden steht. Die Tagungstermine der Ethikkammer diese Woche wurden erst durch eine Indiskretion des senegalesischen Kommissionsmitglieds Abdoulaye Makhtar Diop öffentlich. Und das Urteil war dem Blatter-Berater Klaus Stöhlker bereits am Mittwochabend aus offiziellen Fifa-Kreisen übermittelt worden. Er gab sein Wissen sogleich an die Frankfurter Allgemeine Zeitung weiter.
Der Südkoreaner Chung Mong Joon nahm dieser Tage im Wissen, dass ihm strenge Sanktionen drohten (ihm werden Verstöße im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 zur Last gelegt), auch kein Blatt mehr vor den Mund. Er bezeichnete Blatter als „Heuchler und Lügner“ und die Fifa als „korrupte Organisation“. Der Zerfleischungsprozess der Funktionäre ist in vollem Gange.
Blatter kritisierte indes über seine Anwälte das Verfahren der Ethikkommission. In einer Pressemitteilung heißt es: „Präsident Blatter ist enttäuscht, dass die Ethikkommission nicht dem Ethik- und Disziplinarcode gefolgt ist, die beide die Möglichkeit schaffen, angehört zu werden.“ Er erwarte die Möglichkeit, Beweise zu präsentieren, „dass er nicht an irgendeinem kriminellen Fehlverhalten beteiligt war“. Erst kürzlich hatte der Schweizer gefordert, man solle ihn endlich in Ruhe arbeiten lassen, um die Reformen im Weltverband voranzutreiben. Mit dieser Aufgabe wird in der Zeit seiner Suspendierung der Fifa-Vizepräsident Issa Hayatou aus Kamerun betraut werden. Der gesundheitlich angeschlagene 69-Jährige ist auch bei der verbandsinternen Ethikkommission kein Unbekannter. Phaedra Almajid, die Pressechefin des WM-Bewerbungskomitees von Katar, hat ihn in diesem Frühjahr mit der Aussage belastet, er habe 1,33 Millionen Euro Bestechungsgeld erhalten, damit er für Katar bei der WM-Vergabe 2024 stimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen