piwik no script img

"Keine Straße umbenannt"

Performance-Kunst Hamburgs Kolonialgeschichte aus der Perspektive einer schwarzen Aktivistin

Ginnie Bekoe

28, organisiert für die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) den Performance-Abend.

taz: Frau Bekoe, wo finden sich in Hamburg heute noch Spuren des deutschen Kolonialismus?

Ginnie Bekoe: Überall in der Stadt. Besonders absurd ist, dass die Hafencity voll ist mit Menschen, die Wegbereiter für den Kolonialismus waren. Obwohl dort die ersten Straßen erst 2005 benannt wurden – zum Beispiel die Marco-Polo-Terrassen oder das Bismarck-Denkmal mitten in der Stadt. In Wandsbek gibt es viele Straßen, die die Namen von Kolonialverbrechern tragen.

Was tut die Stadt Hamburg, um sich mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen?

Hamburg ist die erste Stadt in Deutschland, die ein Aufarbeitungskonzept zur Beschäftigung mit dem kolonialen Erbe geschrieben hat. Leider ist es unvollständig. Es gibt zu wenig Beteiligung von schwarzen Menschen und „People of Color“, die heute immer noch direkt von den Folgen des Kolonialismus betroffen sind – etwa durch Rassismus. Bei einem runden Tisch Ende 2014 gab es einen Konsens, dass sie mehr miteinbezogen werden müssen. Leider sind sämtliche Angebote, die die Aktivisten an die Stadt Hamburg gerichtet haben, abgelehnt worden.

Reichen die Bemühungen der Stadt?

Nein, es wurde noch nicht eine einzige Straße umbenannt, die nach einem Kolonialverbrecher benannt ist. Auch die Aberkennung von Ehrenbürgerschaften dauert unglaublich lange.

Woran liegt das?

Es fehlt der Wille und die Einsicht. Kolonialismus wird so behandelt, als wäre das alles schon vorbei und überhaupt nicht mehr wichtig. Dabei ist es nicht zu debattieren, ob und wenn ja, wie groß die Folgen des Kolonialismus immer noch sind.

„Performing Back“ zeigt eine schwarze Sichtweise auf das Thema deutsche koloniale Vergangenheit. Warum ist das wichtig?

Menschen brauchen eine Stimme, gerade in Bezug auf den Kolonialismus. Die Grundlage von Kolonialismus ist Rassismus. Der Gedanke, dass es Menschen gibt, die weniger wert sind als andere, ist rassistisches Gedankengut, das heute noch wirkmächtig ist. Umso wichtiger ist es, dass eine schwarze Sichtweise auf das koloniale Erbe geworfen wird. Klar zu benennen, was die Auswirkungen sind, welche Spuren es gibt und wie es uns damit geht. Zu zeigen, welche Auswirkungen es auf mein tägliches Leben hat.

Interview: Larissa Robitzsch

Performance „Performing Back“: 20.15 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen