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Feier zum 3. Oktober in FrankfurtGigantismus in der Bankenstadt

Schlaaaaaand! Die Einheitsfeier findet in Frankfurt statt. Das Motto: „Grenzen überwinden“. Linke Gruppen rufen zu Gegenveranstaltungen auf.

Frisch voran in Frankfurt: Feiern, feiern, feiern Foto: dpa

frankfurt taz | Das erste Mal seit 18 Jahren werden in Deutschland wieder Grenzkontrollen eingeführt. Doch das ändert am Motto der Feier zu 25 Jahren Deutscher Einheit nichts. Die Großfeier vom 2. bis 4. Oktober in Frankfurt steht unter dem Motto „Grenzen überwinden“. 25 Jahren vereintes Deutschland sind für die Veranstalter Grund genug, um mal wieder richtig stolz auf Deutschland zu sein.

„Das unverkrampfte Verhältnis zum Nationalgefühl, das wir bereits bei der Fußball-WM 2006 erleben konnten, soll zur Einheitsfeier wieder aufleben“, sagte der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Und das schon vor im November vor einem Jahr. Und präsentierte eine schwarz-rot-goldene Glühweintasse.

Das 25-Jahre-Fest, das sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) auf die Fahne geschrieben hat, spart nicht an Gigantismus: Es soll die größte Einheitsfeier bis dato werden. Russlands Expräsident Michail Gorbatschow soll kommen, auch Exbundeskanzler Helmut Kohl. Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck sind sowieso da. Bis eineinhalb Millionen BesucherInnen werden erwartet. Mit so einer Veranstaltung würde Wiesbaden, als hessische Landeshauptstadt eigentlich prädestiniert, aus allen Nähten platzen – so entschied man sich für Frankfurt.

Mit dem Motto „Grenzen überwinden“ soll das Flüchtlingsthema aufgriffen werden. Merkel hat 30 geflüchtete Frauen und Männer eingeladen, ein Willkommenszelt wird aufgestellt.

Die Innenstadt ist an den drei Tagen für Autos gesperrt. Das „Bürgerprogramm“ wirbt mit „nationalen Sängern“ wie Sarah Connor und Cro. Connor war mit einer Eigeninterpretation der Nationalhymne früher in die Kritik geraten. Die Installation „Jahresringe“ auf dem Paulsplatz zeigt die deutsche Geschichte nach der Wende. Hierfür musste allerdings ein anderes Detail der deutschen Historie weichen. Stoffbinden, die an die Insassen des Frankfurter KZ Katzbach erinnerten, mussten entfernt werden.

Die 16 Bundesländer präsentieren sich mit eigenen Büdchen.

Verschiedene linksradikale Gruppen sowie Die Partei können sich derweil weder mit dem Motto noch mit Inszenierung Deutschlands als „zivilisatorische Kraft“ anfreunden. Sie rufen zu Gegenveranstaltungen am 2. und 3. Oktober auf. „Angesichts des failed state Ostdeutschland und der dortigen talibanartigen Stimmung halten wir es auch für zynisch und menschenverachtend, diese missglückte Einheit auch noch zu feiern“, sagte Leo Fischer aus dem Bundesvorstand der „Partei“.

Die „Spaßpartei“ hat Martin Sonneborn, EU-Abgeordneten der Partei, sowie Bands wie die Punkrocker von Slime (“Deutschland muss sterben, damit wir leben können“), die Antilopengang und den „Ärzte“-Schlagzeuger Bela B eingeladen.

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5 Kommentare

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  • „Das unverkrampfte Verhältnis zum Nationalgefühl, das wir bereits bei der Fußball-WM 2006 erleben konnten, soll zur Einheitsfeier wieder aufleben“ -

    ... also ja , nä - : schöner kann man den verquast verlogenen gedanklichen Müll zum Thema "Nationalgefühl" kaum in einem einzigen Satz unterbringen !

  • Ja genau! Das ist das richtige Motto:

    „Grenzen überwinden“

    Und jetzt praktisch:

    Mach dich frei von Dublin II (und III).

    Schluss mit den Schikanen und den Angriffen gegen die Fluchtbewegung aus Syrien und dem Mittleren Osten!

  • Die Ampelmännchen von Einheitskünstler Prof. Hörl werden mit beträchtlichen Beträgen aus irgendwelchen hessischen Fördertöpfen auf öffentlichen Plätzen zur Schau gestellt.

     

    Über deren künstlerische Qualität kann man streiten, auch darüber, ob das Ampelmännchen das einzige Relikt aus DDR-Zeit ist, das gesamtdeutsch wahrgenommen wird.

     

    Tatsache ist aber, dass dieser Künstler das eigentlich Typische und Witzige an dieser Figur nicht erkannt hat : die übermäßig gespreizten Beine deuten humorvoll die Eile an, mit der Fußgänger an der Ampel loslaufen sollen.

     

    Eben diesen Effekt hat Hörl mit seiner "Kreation" optisch zerstört, indem er das (notwendigerweise stabilisierende) Plastikmaterial zwischen und unter den Beinen platziert hat und damit die im Original sichtbare Bewegung durch einen gleichfarbigen kunstfernen Klumpen zum Stillstand gebracht hat.

     

    Wenn dem hessischen Ministerpräsidenten die massenhafte Produktion dieser Figuren und deren wochenlange Präsentation auf deutschen Marktplätzen als bemerkenswerter Beitrag zur deutschen Einheit förderungswürdig erscheint, sei dies dem Herrn Kunstprofessor gegönnt.

     

    Seine eigene künstlerische Leistung wird jedoch bei diesem flächenintensiven Massenaufmarsch auf Holzlatten nicht erkennbar.

  • "„Angesichts des failed state Ostdeutschland und der dortigen talibanartigen Stimmung halten wir es auch für zynisch und menschenverachtend, diese missglückte Einheit auch noch zu feiern“"

     

    Ja, genau das dachte ich mir auch schon im vergangenen Jahr, als 25 Jahre Mauerfall (und irgendwie auch Einheit) mit weißen Ballons etc. gefeiert wurde. MIR war schon damals nicht zum BRD-Einheitgelingen-Feiern zumute... und kurze Zeit spät gab es dann PEGIDA und viele "Spaziergänger".

     

    "Besorgte Bürger", untätige und unfähige Politiker und dazu noch viele Flüchtlinge - und das alles in dem Jahr zwischen der 25. und 25. Jahresfeier Mauerfall und "Einheit".

     

    Es wird Zeit, dass ein etwas anderer Blick auf dieses "vereinte" Deutschland geworfen wird.

  • Das Allerschlimmste an dieser Feier sind die Plastikfiguren des Einheitskünstlers Otmar Hörl.

     

    Schon vor 8 Jahren hat der Künstler Andreas Siekmann mit seiner Skulptur "Trickle Down" in Münster die neoliberale Symbolik derartigen Plaste-Plastiken im öffentlichen Raum demaskiert. Hier ein paar Textauszüge dazu:

     

    "Project: Trickle down. Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung

     

    Der Untertitel – „Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung“ – legt nahe: Dies ist eine größere Erzählung. Seit 1998 haben sie sich in Deutschlands Innenstädten breit gemacht: Kunststoff-Figuren, meist Tiere imitierend, die „Stadtkunst“ der städtischen Marketing-Abteilungen. In mittlerweile 600 Städten und Gemeinden sollen sie als unverwechselbare Wahrzeichen ein heiteres Profil prägen. Sie sind das stumme Publikum einer umfassenden ökonomischen Transformation, bei der viele Bereiche öffentlichen Lebens in private Hände veräußert werden: Der städtische Raum ist zu einer käuflichen Größe geworden. 13 dieser Figuren hat der Künstler in eine Schrottpresse gesteckt und ihre Trümmer zu einer großen Kugel geformt. Eine böse Illustration des „Trickle down“, womit Wirtschaftstheoretiker die These bezeichnen, dass großer Reichtum, wenn er auch nur in den Händen weniger Menschen konzentriert sei, doch in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickere und allen zu Wohlstand verhelfe. Abstrakte ökonomische Prozesse sind kaum in einfache Bilder zu übersetzen. Andreas Siekmann versucht es mit einer typisierten Bildsprache, ähnlich den Piktogrammen. Mit ihnen, die nun die Schrottpresse bedecken zitiert er die Global Player vor den künstlerischen Kadi. Seine Kunst stellt Machtverhältnisse dar, die sonst nur selten abgebildet werden."