piwik no script img

Kommentar USA und FlüchtlingspolitikDas ist nicht genug

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Lange haben die USA die Flüchtlingskrise ignoriert. Nun nehmen sie einige Syrer auf. Das reicht nicht – eine Wende in der Außenpolitik ist nötig.

Auch ein Teil der US-Außenpolitik: Guantanamo. Foto: ap

M onatelang haben die USA zugeschaut, während Menschen im Mittelmeer ertranken, es an immer mehr innereuropäischen Grenzen zu Spannungen kam und die EU in eine neuerliche politische Krise taumelte. Ganz so, als wäre das Problem von Millionen, die aus dem Nahen Osten flüchten, eine Angelegenheit der anderen. Und als hätte es nichts mit den USA, ihrer Außenpolitik, ihren Militärinterventionen, ihren Drohnen, ihren Rebellenausbildungsprogrammen und ihren – erfolgreichen und gescheiterten – Regimewechseln zu tun.

Jetzt hat Washington entschieden, 5.000 zusätzliche Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Die Zahl ist erbärmlich, die Entscheidung kommt Jahre zu spät. Und dennoch erscheint ein Aufatmen angemessen. Es ist ein Anfang. Die USA haben ihre Position als Zaungast aufgegeben.

Ausgelöst wurde der Kurswechsel in Washington nicht durch die Rufe der Zivilgesellschaft, sondern die Ereignisse in Europa. In dem Land, das im 19. und 20. Jahrhundert Millionen Menschen aus Krisengebieten aufnahm und die Inschrift der Freiheitsstatue den „Müden“, „Armen“ und „geknechteten Massen“ der Welt die Freiheit verspricht, fehlt im Jahr 2015 die breite Öffentlichkeit, die dafür eintritt, die eigenen Tore aufzumachen.

Auf den Tag genau 14 Jahre nach den Attentaten von New York und Washington sind die USA weiterhin geprägt von Angst, Sicherheitsdenken und der Konzentration auf sich selbst. In diesem Klima können Politiker, die Mauern und Deportationen versprechen, in der öffentlichen Meinung punkten – und wollen viele US-Amerikaner glauben, dass Außenpolitik am besten von einem starken Militär und ebensolchen Geheimdiensten gemacht wird.

Die Zahl ist erbärmlich, die Entscheidung kommt Jahre zu spät

Im nächsten Schritt muss das 320-Millionen-Einwohner-Land, das für sich selbst in Anspruch nimmt, globaler „leader“ zu sein, sehr viel mehr Syrer – und Menschen aus anderen Krisengebieten – aufnehmen. Bislang haben lediglich 0,03 Prozent der Flüchtlinge aus Syrien Zuflucht in den Vereinigten Staaten gefunden.

Doch ihrer Verantwortung werden die USA selbst dann noch immer nicht gerecht. Neben den längst überfälligen humanitären Gesten ist eine radikale Kehrtwende in der Außenpolitik nötig. Weg vom Militär und hin zu politischen und diplomatischen Lösungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • und Russland?:-(

  • Das ist bemerkenswert: den einen Tag werden die Gedanken und Thesen zur Verantwortung der USA an der Flüchtlingsursache von der taz eher zynisch und kritisch betrachtet, am nächsten Tag wird eine radikale Kehrtwende in der Außenpolitik der Amerikaner gefordert. Haben Sahra und Dietmar mit ihrer Postion etwas anderes ausgedrückt bzw. angeregt?