Schwächelnde RWE-Aktie: Osnabrück verzichtet auf 200 Millionen Euro
Mehrere Millionen Aktien des kriselnden Energiekonzerns RWE besitzt der Landkreis Osnabrück. Jetzt stolpert deren Wert von einem Tief zum nächsten.
Fassungslos und wütend schauen Politiker aus dem Landkreis Osnabrück derzeit die Börsennachrichten. Genauer: darauf, was die RWE-Aktie macht. 2,1 Millionen Anteile an dem Energiekonzern besitzt der Landkreis über seine Vermögensgesellschaft Bevas. Am gestrigen Mittwoch sank der RWE-Kurs auf ein Rekordtief: unter 13 Euro. Anfang 2011 waren es noch 55 Euro gewesen, 2008 sogar 100 Euro. Damals war das Paket der Osnabrücker 210 Millionen Euro wert – jetzt sind es nicht mal mehr 28 Millionen. Linke und Grüne, aber etwa auch die Jungen Liberalen wollen die Aktien schon seit Jahren verkaufen, aber SPD und CDU wehrten sich stets. Die Christdemokraten hoffen auf eine Erholung des Kurses – und sie stellen Mitglieder in RWE-Beiräten.
„Wenn ich an die Zahlen denke, dann werde ich richtig sauer“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Osnabrücker Land, Rainer Kavermann. „2008 war auch die SPD noch für den Verkauf, jetzt wo sie was tun könnte, will sie nicht mehr“, sagt der Linken-Abgeordnete Andreas Maurer. Nachwuchs-FDPler stürmten im Jahr 2007 sogar mal eine Abstimmung über die Aktien, um deren Veräußerung zu verlangen. Genutzt hat alles nichts: Verkauft wurde nie, und das, obwohl der Kurs seit Jahren nur eine Richtung kennt: nach unten. Am Dienstag erst wurde bekannt, dass RWE seinen Platz im bedeutenden Aktienindex Euro-Stoxx an Fresenius verliert.
Der Kreis Osnabrück hat die Aktien im Zusammenhang des Verkaufs der niedersächsischen Kraftwerke an RWE erhalten. Immerhin: Man hat kein eigenes Geld ausgegeben.
„Als ich 2011 beim Absturz auf 35 Euro den Verkauf gefordert hatte, sagten Finanzexperten von CDU und SPD, ich hätte von Finanzen keine Ahnung“, so Maurer. Im Juni dieses Jahres stellte er einen Antrag für den Verkauf der Hälfte der Aktien – abgelehnt. CDU-Fraktionschef Martin Bäumer sagt, Maurer sei „ein Populist und der falsche Ansprechpartner“. Auch der Grüne Kavermann versuchte im Kreistag mit einer Exit-Strategie wenigstens noch einen Verkauf beim Stand von 25 Euro herbeizuführen. Die Antwort: die Einrichtung eines interfraktionellen Arbeitskreises.
Insgesamt 24 Prozent der RWE-Aktien halten Kommunen an Rhein und Ruhr, allein die Stadt Essen besitzt 18 Millionen Stück
Dividende: 2008 hatte RWE noch 4,50 Euro pro Aktie ausgeschüttet, Duisburg und Essen rechnen jetzt mit einem Rückgang auf 50 bis 60 Cent pro Aktie.
Ausstieg zum richtigen Zeitpunkt: Osnabrücks Nachbarkreis Steinfurt verkaufte 2007 eine Million RWE-Aktien für 77 Euro pro Stück.
„RWE betreibt erfolgreich Lobbyarbeit bei den Landräten, holt sie zum Beispiel in die Beiräte“, sagt Kavermann. Gemeint ist Landrat und CDU-Mitglied Michael Lübbersmann, der im RWE Regionalbeirat Nord sitzt. CDU-Fraktionschef Bäumer wehrt sich gegen solche Vorwürfe: „So etwas ist mir nicht bekannt, wenn ich hören würde, dass RWE Druck macht, Aktien zu behalten, würde ich das Gegenteil tun.“
Im Juni sagte Bäumer der Neuen Osnabrücker Zeitung noch, sollte die Aktie unter 20 Euro sinken, „dann wird man nicht lange warten und sie nicht bis auf 10 Euro fallen lassen. Dann wird man sie ohne große Diskussion sofort verkaufen.“ Mittlerweile verweist er darauf, dass ein Verkauf drei Monate in Anspruch nähme: „Ich bin nicht dafür, übereilt rauszugehen, vielleicht kann man nach der Sommerpause zu einer Lösung kommen.“
Der CDU-Abgeordnete Martin Dälken sagte in einer Kreistagssitzung, eine Debatte über die Aktienkurse würde sich verbieten, da man ja nicht mit Aktien spekuliere. Maurer versteht das nicht: „Mir wurde von Seiten der CDU gesagt, der Kurs würde wieder auf 40 Euro steigen. Solche Argumente kenne ich sonst nur von Spielsüchtigen.“ Eine andere Quelle aus dem Kreistag verriet, dass einzelne in SPD und CDU an Lösungen mitgearbeitet hätten, vom Vorstand aber zurückgerufen worden seien.
Den Haushalt des Landkreises belastet der Wertverlust der Aktie nicht, da er nur einen Buchungsverlust darstellt. Anders verhält es sich mit der jährlichen Dividende: Mit ihr finanziert der Landkreis seine Vermögensgesellschaft Bevas. 2013 flossen noch zwei Euro pro Aktie, danach nur noch ein Euro. „Nächstes Jahr ist wohl nur noch mit 50 bis 60 Cent pro Aktie zu rechnen“, sagt Kavermann. Die Bevas-Finanzierung wäre dann innerhalb von drei Jahren von 4,2 auf ungefähr eine Million Euro gefallen. Eine Belastung, die sich wohl hätte verhindern lassen.
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