: Im Auftrag der Ministerin?
Hochschulgremien Wurde eine Leipziger Rektorin abgewählt, weil sie die Sparvorgaben des Landes kritisierte? Nun diskutiert der Sächsische Landtag über die Rolle der externen Uni-Berater
Hochschulräte abschaffen! Zumindest ihren Einfluss zurückdrängen und das Besetzungsverfahren demokratisieren! So klingt es am Ende des Sommerlochs plötzlich von Sachsens Studierendenschaften und der Landtagsopposition.
So laut wie nach dem Vorfall an der Leipziger Universität standen Hochschulräte in Sachsen noch nie in der Kritik. 2008 führte die schwarz-rote Landesregierung in Dresden als eines der letzten Bundesländer Hochschulräte ein. Zwischen fünf und elf Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und dem Kulturbetrieb beraten seither jede sächsische Hochschule in ihrer Profilbildung. Dazu gehört, sich für leistungsstarke oder gegen bilanzschwache Studiengänge auszusprechen und den Haushaltsplan abzunicken, aber auch, dem Senat Kandidaten für die Wahl der Hochschulleitung vorzulegen. Normalerweise geht das unspektakulär über die Bühne wie zuletzt an der Uni Dresden.
Nicht so in Leipzig. Dort kam es zum Eklat, als die amtierende Rektorin Beate Schücking vom Hochschulrat nicht erneut für dieses Amt vorgeschlagen worden war. Die Medizinerin sah sich daraufhin „ausgebootet“, wie sie der Wochenzeitung DIE ZEIT sagte. Sie würde akzeptieren, wenn sie in einem demokratischen Verfahren vom Senat nicht erneut gewählt würde. Aber die Vorselektion durch den Hochschulrat sei „zutiefst verstörend“. In Leipzig gehören sieben der neun Räte nicht der Universität an. Formal werden sie vom Wissenschaftsministerium in Dresden ernannt. Rektorin Rücking mutmaßt, sie habe nun die Quittung für ihre Aufsässigkeit gegenüber den Sparauflagen der vorigen schwarz-gelben Regierung bekommen.
Bis zu 300 Stellen hätte die Uni Leipzig das Diktat des Finanzministers gekostet. Ganze Studiengänge wie die Theaterwissenschaft oder die Archäologie standen vor dem Aus. Dagegen stemmte sich Rektorin Schücking im vergangenen Jahr vergebens. Da half auch kein Anruf bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die an der Uni Leipzig studiert hatte.
Zwischen den Spardiskussionen und der Abwahl der Rektorin gibt es keinen Zusammenhang, sagt SPD-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (siehe Interview unten). Diesen Verdacht äußern in Leipzig sogar jene, die Schücking seinerzeit für die Art und Weise kritisierten, wie sie die Sparvorgaben letztlich pflichtschuldig umgesetzt hat. So bezeichnet der Leipziger Student_innenrat die Nichtnominierung als „Abstrafung“. Die Konferenz Sächsicher Studierendenschaften (KSS) äußerte „Unverständnis“ und forderte den Hochschulrat auf, die Gründe für seine Entscheidung offenzulegen.
Die Personaldebatte über die Leipziger Rektorin beschäftigt mittlerweile auch die Opposition im Sächsischen Landtag. Welche Rolle bei der Nichtnominierung die Besetzung des Hochschulrats spielte, der mehrheitlich auf Vorschlag des Ministeriums erfolgt, fragen sich Grüne und Linke. Formal sei die Leipziger Rektorenwahl bislang korrekt gelaufen, am 8. September will sich der Senat mit den Personalvorschlägen befassen.
Hochschulräte: Bis auf Bremen finden sich mittlerweile in allen Bundesländern externe Berater an den Unis. Ihre Aufgabe ist es, die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Hochschulen mit Controllingmethoden der Marktwirtschaft zu verbessern. Kompetenzen, Mitgliederzahl und Zusammensetzung der Hochschulräte variieren je nach Bundesland. Welche Unternehmen an wie vielen Hochschulen vertreten sind, wird an dieser Stelle in der taz-Ausgabe vom 16. September gelüftet.
Auf dem Portal Hochschulwatch.de sind unter anderem Hochschulräte, die in der Wirtschaft tätig sind, gelistet. Auf der Website, die die taz gemeinsam mit Transparency International und dem Studierendenverband fzs betreibt, werden Daten zur Finanzierung von Hochschulen gesammelt. Interessierte können dort rund 1.000 Stiftungsprofessuren sowie Verträge zwischen Firmen und Universitäten finden.
Doch warum eine Rektorin, die ihre Hochschule vor „zukunftsfeindliche Stellenkürzungen“ bewahren will, nicht wieder zur Wahl steht, versteht auch Grünen-Fraktionschefin Claudia Maicher nicht. Sie sieht in Schücking eine verunglimpfte Widerstandskämpferin gegen die ministerielle Sparpolitik. Nach unbestätigten Informationen sollen acht der neun Leipziger Hochschulratsmitglieder bei einer Enthaltung gegen Schücking gestimmt haben. Sie hätte damit nicht einmal die Stimmen der beiden Hochschulvertreter im Rat bekommen.
Die Hochschulpolitikerin der Linken, Annekatrin Klepsch, wittert in der Besetzung der Hochschulräte eine verdeckte Einflussnahme der Landesregierung. Klepsch schlägt vor, das Sächsische Hochschulgesetz zu novellieren. Die gewählten Senate sollten gestärkt, Hochschulräte auf eine reine Beratungsfunktion reduziert werden. So könnte es in einem gemeinsamen Entwurf der Opposition stehen.
Der sächsische Autonomievirus hat inzwischen auch das Nachbarland Sachsen-Anhalt ergriffen. Dort wollen die Hochschulen ihre Professoren künftig ausschließlich selber berufen, das Land soll nicht mehr zustimmen müssen. In Sachsen jubelt nur die Alternative für Deutschland (Afd) über den Vorab-Ausschluss der amtierenden Leipziger Rektorin. Hatte Beate Schücking doch das so genannte generische Femininum durchgesetzt, wonach nur noch von „Professorinnen“ gesprochen werden soll. Darin sehen die Deutschalternativen wiederum eine Männerdiskriminierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen