: „Ein Moment der Reflexion“
Flüchtlingsunterkunft Ein Unternehmen bietet Übernachtungen in Luxus-Flüchtlingszelten an
27, Anthropologin, koordiniert humanitäre Projekte bei dem 2012 gegründeten Hamburger Unternehmen Morethanshelters.
taz: Frau Poncette, warum lassen Sie Touristen in der Luxus-Version eines Flüchtlingszeltes übernachten?
Isabelle Poncette:Es geht uns vor allem um Sensibilisierung. Wir wollen Menschen dazu bekommen, sich zu überlegen, wie es ist, wenn man sein Zuhause verloren hat und jetzt vor einem Zelt steht. Sie sollen sich in die Position hineinversetzen, in diesem Zelt, ein neues Zuhause schaffen zu müssen.
Wie soll das von Ihnen entwickelte Flüchtlingszelt helfen?
Das „Domo“ passt sich den Menschen an. Es kann geografischen und klimatischen Bedingungen angepasst werden, indem Komponenten ausgetauscht oder erweitert werden. Außerdem lädt es die Menschen dazu ein, sich ein Zuhause zu errichten. Es ist kein fertiges Produkt, sondern kann vor Ort variiert werden. Beispielsweise lässt sich die Raumgröße den soziokulturellen Ansprüchen anpassen. Die Menschen brauchen nicht immer das gleiche Standardzelt, sondern das, was die Menschen brauchen, kann unterschiedlich sein.
In der Hafencity steht zwar das von Ihnen entwickelte Zelt – aber mit besserer Innenausstattung. Bekommen die Gäste nicht eine verzerrte Sicht auf die Unterbringung von Flüchtlingen?
Ich sehe es so, dass es ein schöner Moment der Reflexion ist: Wie es wäre, wenn man eben nicht in einem Hotel wäre.
Mit der echten Situation in einem Flüchtlingszelt hat das doch aber wenig zu tun.
Wir wollen vor allem humanitäre Innovationen vorantreiben. Ein Standard-Flüchtlingszelt entspricht überhaupt nicht den Ansprüchen, die wir an humanitäre Hilfe haben sollten. Wir wollen zeigen, wie ein Produkt ein mobiles Zuhause werden kann. Es soll eine Plattform sein, um den Besuchern näher zu bringen, wie wir uns humanitäre Hilfe vorstellen. Gleichzeitig sollen durch die Aktion Spenden generiert werden.
Grundsätzlich ist Ihr Unternehmen aber gewinnorientiert.
Es ist ein klassisches Sozialunternehmen. Die Idee ist, die Marktwirtschaft zu nutzen, um soziale Wirksamkeit zu erreichen. Wir wollen im kommerziellen Bereich Gewinne machen, aber nicht für uns, sondern für unsere Projekte. Es geht uns darum, einen finanziellen Kreislauf zu etablieren, um unabhängig zu werden.
Interview: Fabio Kalla
Übernachtungen im Flüchtlingszelt: 18. bis 22. August. Hafencity Viewpoint, Grandeswerderstraße, gegen Spende
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