piwik no script img

Die Straße nach Bad Nenndorf

Antifaschismus Aktive rufen auf, auch dieses Jahr dem rechten „Opfer-Aufmarsch“ entgegenzutreten – Hintergründe und Demo-Einmaleins mit „love2block“

von Katrin Katjuscha

Nach Rom, so heißt es, führen viele Wege. Etwas schwieriger ist die Anreise in die niedersächsische Kurstadt Bad Nenndorf: Der Bahnhof der 10.000-Einwohner-Stadt stellt nur ein einziges Gleis. „Ruhiges Hinterland“, könnte man sagen. Das dachte sich wohl auch ein sogenanntes „Gedenkbündnis“ rechter Kameradschaften. Seit mehreren Jahren versuchen sie, das Wincklerbad in Bad Nenndorf mittels jährlichem Aufmarsch zur Pilgerstätte zu machen. Die britische Armee hatte den Bau nach dem Zweiten Weltkrieg als Verhörzentrum für Nazi-Funktionäre genutzt, derer die Rechten nun gedenken wollen.

Zwischen Kurpark und Kneip-­Bädern störungsfreier aufzumarschieren als in der Stadt, mag sich die Norddeutsche Naziszene erhofft haben. Zunächst schien sich das auch zu bestätigen: 2008 kamen 400 Neonazis, 2009 schon doppelt so viele. 2010 sollten 1.000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen. Nachdem andere Orte ihr Naziproblem losgeworden waren, drohte sich der „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf überregional für die rechte Szene zu etablieren. Infolge von Blockaden und dauerhaften Verboten großer Events wie in Wunsiedel oder Dresden sollte nun der „Opfer-Marsch“ in Nenndorf zum nationalistischen Jahreshöhepunkt werden. Es kam anders.

Nicht nur machten sich in der Gemeinde Nenndorf zahlreiche lokale Initiativen stark, um ihr Naziproblem anzugehen, auch etablierte sich ab 2011 das überregionale Blockade-Bündnis „love2block“. Es gelang gemeinsam mehrfach, mit kreativen und entschlossenen Aktionen den „Opfer-Aufmarsch“ der Neonazis zum Desaster zu machen, woraufhin deren Teilnehmerzahlen sanken.

„So soll es weitergehen“, meint Maren von der Initiative „Kein Naziaufmarsch in Bad Nenndorf“. Erneut rufen sie dazu auf, sich auf den Weg nach Bad Nenndorf zu machen, denn es braucht viele Menschen, „die bereit sind, sich dem Nazimob entgegenzustellen“. Unterstützung aus anderen Städten ist erwünscht, da die „Staatsanwaltschaft das Bündnis über die Jahre hinweg mit einer Repressionswelle überzogen hat“, sagt Maren. Sogar die bürgerlichen und zumeist älteren Teilnehmer einer friedlichen Sitzblockade vor dem Wincklerbad wurden 2013 von der Polizei als „politisch motivierte Kriminelle“ bezeichnet und eingeschüchtert. Ebendiese Sitzblockade hatte es dennoch geschafft, „den Naziaufmarsch auf seinem Höhepunkt in die Bedeutungslosigkeit zu katapultieren“, erzählt Maren. „Für uns ein tolles Zeichen, dass wir alle zusammen verhindert haben, dass die Nazis ihren geschichtsrevisionistischen Marsch durchführen.“

Noch bis 2030 wollen rechte Kader aus dem Umland auf ihre Anmeldung pochen und zum Wincklerbad ziehen.

Darum folgt nun ein „how to block“, powered by „love2block“:

1. Vorbereitung: Es wird ein langer Tag. Sorgt für genügend Wasser und Snacks. Verzichtet auf Alkohol- und Drogenkonsum, ihr gefährdet damit euch und andere.

2. Wichtige Tipps fürs Packen findet ihr auf den Abbildungen von „love2block“.

3. Anreise: Seid pünktlich am Treffpunkt und bewegt euch vielleicht schon vorher in Kleingruppen, reist nicht allein an. Damit ihr euch schneller wieder findet, könnt ihr euch einen kreativen Gruppennamen geben, wie „Eistee“ oder „YOLO“.

Kleine Gedächtnisstütze für Blockierende Foto: Foto:love2block

4. Im Zug/im Bus/im Auto: Anna und Arthur halten die Klappe. Tönt nicht mit Heldentaten. Es gibt vielleicht Mitfahrer, die mehr über euch wissen möchten. Notiert euch die Nummer vom Ermittlungsausschuss (EA), falls ihr Festnahmen beobachtet oder selbst festgenommen werdet.

5. Vor Ort: Seid entschlossen und achtet auf Menschen um euch rum. Besprecht im Zweifel mit eurer Gruppe, was ihr macht.

6. Abreise: Auch jetzt ist keine gute Gelegenheit, mit tollen Storys vom Leder zu ziehen oder die anderen aus den Augen zu verlieren. Bleibt wachsam und achtet auf eure Umgebung, im Zweifel fahren Nazis oder Polizisten in der Bahn mit. Falls ihr sehr verschwitzt oder nass geworden seid: umziehen.

7. Zugtreffpunkte unter: badnenndorf-blockieren.mobi

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen