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Die vielen Wenns

Verfassungsschutz Ein ehemaliger V-Mann will den Behörden in Baden-Württemberg schon 2003 vom NSU berichtet haben. Ob er die Wahrheit sagt, ist aber unklar

Demo in Berlin: Was wusste der Verfassungsschutz? Foto: Stefan Boness/Ipon

von Benno Stieber

BERLIN taz | Es ist eine Geschichte mit vielen „Wenns“ – wie so oft im NSU-Untersuchungsausschusses in Stuttgart. Ja, wenn der Zeuge Torsten O., wie es Der Freitag in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, Erkenntnisse über Uwe Mundlos und den Nationalsozialistischen Untergrund gehabt hätte und bereits 2003 dem baden-württembergischen Verfassungsschutzmitarbeiter Günther Stengel erzählt haben sollte, dann wäre das ein Skandal. Denn dann ließe sich nachweisen, dass die Ämter dem Treiben des NSU wesentlich früher ein Ende hätten bereiten können.

Doch das Einzige, was heute feststeht, ist, dass es 2003 ein Treffen zwischen Torsten O. und dem Verfassungsschützer Günther Stengel gegeben hat. Was dort besprochen wurde, ist strittig. Stengel, inzwischen im Ruhestand, hatte sich nach Auffliegen des NSU im Jahr 2011 selbst als Zeuge gemeldet und berichtet, Torsten O. habe ihm damals bei einem Treffen in einem Pfarrhaus bei Heilbronn berichtet, er sei während eines Haftaufenthalts in der JVA Bruchsal in Kontakt mit Rechtsradikalen aus Thüringen gekommen. Später habe dieser Uwe Mundlos in Thüringen und Heilbronn getroffen. O.s Auftrag sei es damals gewesen, eine Unterstützergruppe für den NSU aufzubauen. Stengel sagt aus, er habe nach dem Treffen einen Vermerk angefertigt, aber auf Druck seiner Vorgesetzten die Passagen über Mundlos und die Neonazis wieder herausgenommen.

Doch die Erinnerung scheint Günther Stengel in wesentlichen Punkten einen Streich zu spielen. Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamts war Torsten O. nie in der JVA Bruchsal inhaftiert, kann dort also keine Kontakte zu Neonazis erhalten haben. Tatsächlich findet sich in Stengels Vermerk nichts zum NSU, stattdessen eine Menge über die kruden Thesen Torsten O.s zum Mossad, dem Tod von Uwe Barschel und dem von Olaf Palme. Der Vermerk über das Treffen hatte Stengel jedoch gleich am Tag nach dem Treffen angefertigt, wie er selbst bestätigt. Da war also wenig Zeit für Einflussnahme durch Vorgesetzte. Später nahm Stengel diese Behauptung selbst zurück.

Auch Stängels Gesprächspartner Torsten O. hat sich bisher als wankelmütiger Zeuge erwiesen. Als der gelernte Schreiner, der in den 80er Jahren kurze Zeit als V-Mann für den baden-württembergischen Verfassungsschutz gearbeitet hatte, im März dieses Jahres vor dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss auftrat, tischte er auch dort seine Verschwörungsgeschichten über Mossad, Barschel und Palme auf. Dass er dem LfV-Mitarbeiter Günther Stengel 2003 etwas vom NSU berichtet haben sollte, bestritt der Mann jedoch.

Torsten O. hat sich als wankelmütiger Zeuge erwiesen

Jetzt revidiert O. seine Aussage also gegenüber dem Journalisten Thomas Moser, der selbst bereits als Experte vor dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss aufgetreten ist. Torsten O., der derzeit eine Haftstrafe absitzt, behauptet, er habe seinerzeit von „verdeckten Ermittlern des BKA“ Informatio­nen zum NSU erhalten. Davon habe er Stengel 2003 berichtet.

Der Grund für sein bisheriges Schweigen: Er sei vom Verfassungsschutz zum Leugnen gezwungen worden. Beamte hätten ihn 2011 in Eisenach gewarnt, seine Verschwiegenheitserklärung als V-Mann aus den 80er Jahren gelte auch heute noch. Jetzt wolle er aber zur Aufklärung beitragen.

Viele Widersprüche, wenig Handfestes. Der Untersuchungsausschuss will das Thema dennoch nicht auf sich beruhen lassen. Man werde alle Hinweise mit Bezug zum NSU ernst nehmen, sagt der Vorsitzende Wolfgang Drexler (SPD): „Wir wollen der Geschichte nachgehen, auch wenn erhebliche Zweifel bestehen.“ Der Ausschuss hat Torsten O. jetzt noch einmal zu einer „detaillierten, schriftlichen Darstellung“ aufgefordert.

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