piwik no script img

Ex-Kanzleramtschef im NSA-AusschussPofalla beendet alles

Herablassend, unkontrolliert, rechthaberisch antwortet Ronald Pofalla im NSA-Ausschuss und weist alle Vorwürfe als „falsch“ von sich.

Der Zeuge steht mit einem schrägen Lächeln über der Kritik – und über allen Dingen. Foto: dpa

BERLIN taz | Der Zeuge Ronald Pofalla hat sich minutiös vorbereitet. Genau wie damals, zu seiner Zeit als Kanzleramtschef, als ihm mitten im Bundestagswahlkampf 2013 die Snowden-Enthüllungen um die Ohren flogen und er bei regelmäßigen Auftritten im Reichstag die Öffentlichkeit beruhigen musste. Pofalla breitet eng beschriebene Din-A4-Blätter auf dem Zeugentisch vor sich aus, einige Passagen sind mit Markierstift hervorgehoben. Er ist ein Arbeitstier, immer noch. Das sieht man, bevor er loslegt.

„Ich bin gerne gekommen“, hebt der Zeuge an. Er wolle dem NSA-Untersuchungsausschuss „helfen“ bei der Aufklärung. Fast eine Stunde wird sein Statement an diesem Donnerstagabend dauern. Es ist eine Gegendarstellung in eigener Sache, die er den Abgeordneten vorliest. Und eine Anklage.

Über wohl keinem anderen Spitzenpolitiker hat sich in der NSA-Affäre so viel Spott ergossen wie über Ronald Pofalla, der als Kanzleramtschef im Sommer 2013 im Namen der Bundesregierung versuchte, den anschwellenden Spionage-Skandal abzumoderieren. Der Running-Gag „Pofalla beendet Dinge“ amüsierte damals das halbe Land. Die Häme muss den CDU-Mann tief getroffen haben. Falsch verstanden, zu Unrecht verhöhnt, übel karikiert – so sieht Ronald Pofalla sich.

Der 56-Jährige Jurist ist inzwischen raus aus der Politik, hochdotierter Top-Lobbyist der Bahn. Was damals war, könnte ihm egal sein. Aber das ist es nicht.

Die Medien sind schuld

Im Juni vor zwei Jahren hatte der Spiegel aus geleakten NSA-Dokumenten die These der „Totalüberwachung“ der Bürger in Deutschland abgeleitet: der US-Geheimdienst speichere jeden Monat „die Daten von rund einer halben Milliarde Kommunikationsverbindungen aus Deutschland”. Der Zeuge Pofalla sagt dazu im Bundestag: „Wäre das richtig gewesen, es wäre ein Skandal gewesen.“ Er klopft mit der Hand auf einen dicken Stapel kopierter Zeitungsberichte, die er extra mitgebracht hat: „Alle falsch.“

Der erste Spiegel-Bericht basierte offenbar tatsächlich auf einem Missverständnis, das ist längst klar: denn die 500 Millionen Daten stammten aus der Auslandsaufklärung des BND in Bad Aibling und in Afghanistan. Pofalla legte damals einen legendären Auftritt im Reichstagskeller hin, bei dem er verkündete: „Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist vom Tisch.“ Es klang wie eine Absage der Geheimdienst-Affäre. Merkels wichtigster Mann im Kanzleramt hatte schwungvoll versucht, den NSA-Skandal für erledigt zu erklären. So kam es in der Öffentlichkeit an.

Aber, beklagt Pofalla heute, das sei falsch gewesen. Er habe es ganz anders gemeint. Insbesondere dem Spiegel habe die Größe gefehlt, seinen eigenen „zentralen Interpretationsfehler“ einzuräumen und richtig zu stellen. Überhaupt hätten die Medien einen „Teppich“ aus Falschbehauptungen geschaffen. Für ihn scheint das bis heute der eigentliche Skandal.

Auch im Streit um das No-Spy-Abkommen will der Ex-Kanzleramtschef falsch verstanden worden sein. „Mir wird vorgeworfen, ich hätte beschönigt, getäuscht, ja gelogen“, trägt er vor. Das sei ebenfalls „falsch und haltlos“. Wie überhaupt alle Vorwürfe gegen ihn. Bis zu seinem Abschied aus dem Kanzleramt im Dezember 2013, versichert Pofalla, habe alles dafür gesprochen, dass ein No-Spy-Abkommen mit der US-Seite zustande kommen werde.

Ohne jede Selbstkritik

Ja, es habe ausgesehen, als sei die Vereinbarung in „greifbarer Nähe“. Was Pofalla unerwähnt lässt: Schon Wochen vor seinen Abschied aus dem Kanzleramt erschienen Medienberichte, wonach Washington die Deutschen mit ihren No-Spy-Wünschen kühl abblitzen ließ. Die No-Spy-Verhandlungen erwiesen sich als reine Luftnummer.

Bis Mitternacht dauert der Auftritt. Pofalla erspart sich jede Selbstkritik. Irgendwann, ganz am Ende seines Statements, bemerkt Pofalla, er habe bei den Diensten „natürlich auch Dinge erlebt, die vielleicht hätten anders laufen können“. Ansonsten weiß er über die Geheimdienste nur Gutes zu berichten, bedankt sich sogar demonstrativ bei ihnen für „die Wahrung unserer Sicherheit“.

Und das, obwohl sein Vorgänger im Kanzleramt, der heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière, kürzlich im Untersuchungsausschuss heftige Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst erhoben hatte. Genauso Klaus-Dieter Fritsche, der Geheimdienst-Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Insofern übertrifft Pofalla die beiden bei seinem Auftritt im Bundestag noch.

„Gegen Mitternacht kippt sein Auftritt vollends.“

Aus seiner Sicht war vielmehr der Umgang der Geheimdienstkontrolleure im Bundestag mit geheimen Informationen brisant. Denn diese hätten ständig geheime Informationen an die Medien weitergereicht. „Merkt eigentlich niemand, was seit einigen Jahren in Deutschland an dieser Stelle falsch läuft?“, mahnt Pofalla. Wenn dauernd Details über US-Abhörpraktiken bekannt gemacht würden, drohten die US-Geheimdienste sich „still zurückzuziehen“. Das gefährde die Sicherheit in Deutschland.

Gegen Mitternacht kippt sein Auftritt vollends. Dem SPD-Obmann Christian Flisek hält Pofalla seine längere Berufserfahrung vor, im Gegensatz zu ihm habe er mehr als 20 Jahre als Anwalt gearbeitet. Flisek liege in seiner Bewertung der No-Spy-Verhandlungen falsch – über „das Problem kommen Sie nicht hinweg“, ätzt Pofalla. Das müsse der SPD-Mann eben als „Lebenserfahrung“ mitnehmen. Er selbst habe außerdem der Regierung angehört, nicht nur dem Bundestag, wie die Mitglieder des Untersuchungsausschusses.

Herablassend, unkontrolliert, rechthaberisch reagiert Ronald Pofalla auf Nachfragen der Abgeordneten. So missrät dem ehemaligen Spitzenpolitiker aus dem Kanzleramt die große Gegendarstellung in eigener Sache – trotz zweifellos perfektionistischer Vorbereitung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen