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Power aus Palästina

WURZELN Zehn Berliner SozialarbeiterInnen des Projektes Outreach fahren ins Westjordanland, um einen Jugendaustausch mit Palästina in die Wege zu leiten. Vier von ihnen sind selbst palästinensischer Herkunft, zwei fahren zum ersten Mal in die Heimat ihrer Großeltern. taz-Redakteurin Alke Wierth hat die Reise durch das zerrissene Land begleitet

Machen ihre Stadt unsicher: Jugendliche unterwegs im Neuköllner Rollberg-Kiez Foto: Christian Thiel/imago

„La“, die Antwort kommt ohne Zögern. „La“, sagt der schmale palästinensische Jugendliche auf Arabisch für Nein. Nein, er hat seine jüdischen Freunde noch nie zu Hause besucht, sie nie zu sich eingeladen. – Undenkbar sei das, erklärt der anwesende jüdische Sozialarbeiter. Das würde in der Nachbarschaft des Jungen, einem Flüchtlingscamp in Ostjerusalem, als Verrat gelten.

Leben in getrennten Welten

„Undenkbar“, „Verrat“: brutal klingende Worte in einer Umgebung, die friedvoller nicht sein könnte. Wir sind auf einem Pferdehof nahe Jerusalem, sitzen im kühlen Schatten einer Holzveranda. Hier, außerhalb der multireligiösen, multiethnischen Stadt, reiten Jungen aus zwei Bewohnergruppen miteinander, die sich sonst nur im Vorbeigehen begegnen: jüdische und palästinensische Teenager, alle israelische Staatsbürger, doch in getrennten Welten lebend. Das Reitprojekt ist eine Initiative zweier Sozialarbeiter – eines Juden, eines Muslims –, die ihnen damit zeigen wollen, „dass es auf der jeweils anderen Seite auch Gute gibt“, so der jüdische. – „Damit sie sich nicht erst kennenlernen, wenn der eine als Soldat vor der Tür des anderen steht“, ergänzt der muslimische.

Was hat das mit Berlin zu tun? Viel, meinen die deutschen Gäste, mit denen ich auf dem Reiterhof bin. Das sind: zehn SozialarbeiterInnen aus Berlin, StreetworkerInnen des Projektes Outreach, das seit rund zwei Jahrzehnten Straßensozialarbeit und Jugendklubs anbietet. Viele Jugendliche dort kommen vor allem im Westteil der Stadt aus Familien mit palästinensischen Wurzeln, wie man so sagt. Denn darum geht es hier unter anderem: Haben die jungen BerlinerInnen palästinensischer Herkunft Wurzeln? Und wenn ja, wo eigentlich?

Feind- und Opferbilder

Es ist ein Mythos, dass in den Flüchtlingsfamilien, die meist in den siebziger und achtziger Jahren nach Deutschland kamen, die Schlüssel der Häuser aufbewahrt würden, aus denen sie einst vertrieben wurden. Doch wissen die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, deren Eltern bei der Flucht selbst erst Kinder waren, meist gar nicht mehr, wo diese Häuser standen. „Viele der Jugendlichen hier haben ein Bild von Palästina, das von den Erinnerungen der Familie geprägt ist“, sagt Ralf Gilb, Projektleiter bei Outreach. „Welche Entwicklung das Land seither durchgemacht hat, wie die Menschen dort heute leben und denken, wissen sie nicht“, ergänzt Streetworkerin Grete Erckmann. Berichte arabischer Fernsehsender über den Nahostkonflikt verfestigten „Feind- und Opferbilder“, so Gilb, und beeinflussten so die Identität mancher Jugendlicher hier.

Verstärkt werde dies durch Rassismuserfahrungen, die vor allem die jungen Männer hier machten, sagt Erckmann. Das hat Folgen: Das Selbstbild der Jugendlichen als ausgegrenzt, diskriminiert, chancenlos – als Opfer – wirke sich auf ihr Verhalten aus, so Gilb: „Viele treten etwa Lehrkräften oder der Polizei gegenüber respektlos und aggressiv auf.“ Das bediene „Grundressentiments“ in der Gesellschaft, „die nicht die Gesamtheit sieht, sondern nur die schlechten Beispiele“. Was wiederum das Außenseiterselbstbild der Jugendlichen festige. Ein Teufelskreis. „Den wollen wir aufbrechen“, sagt Gilb. Seit zehn Jahren pflegt Outreach einen Jugendaustausch mit Israel. Nun soll Palästina dazukommen.

Fortsetzung der Reportage auf SEITE 44, 45

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