: „Für viele ein Schock“
PODIUM Im Europa-Punkt wird über das Bild debattiert, das Geflüchtete von Europa haben
38, betreut bei Effect als Sozialarbeiter junge und heranwachsende Flüchtlinge und promoviert in Politikwissenschaft.
taz: Herr Diop, mit welche Erwartungen und Bildern von Europa kommen Geflüchtete hier an?
Samba Diop: Meist gibt es die Vorstellung, dass sie ganz schnell arbeiten können, um etwa die Familie zu Hause zu unterstützen, und viele verbinden mit Ihrer Flucht auch die Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Enttäuschung ist meistens damit verbunden, dass sie nicht sofort arbeiten gehen können.
In welcher Hinsicht?
Mittlerweile kann man eine Arbeitserlaubnis nach 15 Monaten bekommen und darf sich eine Arbeit suchen. Aber es gilt die Vorrangprüfung, dass Arbeit zuerst an Deutsche vergeben werden muss. Dazu müssen Anträgen zwischen Arbeitgeber, Jobcenter und Ausländerbehörde hin und her gehen. Ich habe noch keinen Heranwachsenden gehabt, der so zu Arbeit gekommen ist. Sie wären gute Arbeitskräfte, aber die aktuellen gesetzlichen Regelungen in Deutschland geben das nicht her. Insbesondere minderjährige Flüchtlinge müssen zunächst zur Schule gehen und eine mehrjährige Ausbildung machen, bevor sie arbeiten.
Ist das nicht gut?
Doch, aber viele haben bereits Arbeitserfahrungen, haben etwa in der Autowerkstatt des Onkels gearbeitet. Sie rechnen nicht damit, noch einmal so lange die Schulbank drücken zu müssen. Und wenn sie sich in der Zast lange aufhalten mussten ...
... der Einrichtung in der Steinsetzer Straße, die jetzt vorübergehend geschlossen werden soll?
Die war für viele ein Schock. Die Essensversorgung war schlecht, es war laut, gab keine Privatsphäre. Viele hatten dort den Eindruck, die Flucht ist noch nicht vorbei.
Meinen Sie, es wäre anders, wenn die Menschen vor ihrer Flucht davon wüssten?
Nein. Die meisten würden trotzdem kommen, sie müssen Kriegsgebieten entkommen und ihr Leben retten. Interview: jpb
18.30 Uhr: Europa-Punkt, Am Markt 20
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